Neue Musik / DOMINIQUE SCHAFER: Vers une présence réelle
DOMINIQUE SCHAFER
Vers une présence réelle …
ensemble proton bern
Matthias Kuhn
KAIROS 2018 (0015036KAI)
Auf- und Abschwellen; Ausholen und Zurücknehmen; Farbkleckse; Hingehauchtes; Angedachtes; Spannungsbögen, die sich einer Entladung entziehen; Unfertiges …
Der Hörer so genannter Neuer Musik hat die Ausrufung des Fragments in der Ablöse von der großen Erzählung und der Apotheose mehr oder weniger begeistert akzeptiert. Das Fragment (als Ruine?) war eine Reaktion auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und versteht sich wohl als Entsprechung zu Adornos Diktum über die Unmöglichkeit, nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben.
Im Gegensatz zur ähnlich gelagerten Dada-Bewegung fehlen den Dekonstruktionen der Musik nach 1945 allerdings der Witz und die Wärme. Rühmliche Ausnahmen sind der bitterböse Bernd Alois Zimmermann und Friedrich Cerha.
Warum diese Aus- und Abschweifungen? Einfach, weil sich dem Rezensenten die Frage stellt, ob es nicht wieder Zeit wird für neue Erzählungen, die aus den Ruinen der Moderne neue Bilder und Visionen entstehen lassen. Vergessen wir auch nicht die Musik als politisch-philosophisches Organ im Sinne von Beethoven bis Hanns Eisler.
Das ewige Mehr vom Gleichen, das hartnäckig das Bedürfnis des Menschen nach Poesie und Getragenwerden ignoriert, wird die Konzerthäuser der Gegenwart und näheren Zukunft nicht füllen.
Diese Aufgabe zur Trendwende Dominique Schafer alleine aufzuhalsen, ist höchst ungerecht. Sein Bemühen, innerhalb des zeitgemäßen Kontexts neue Cluster usw. zu entwickeln, ist redlich. Das ensemble proton bern will man unbedingt live erleben. Und doch schwebt über allem die - berechtigte - Sehnsucht, von Musik berührt und manchmal auch geführt zu werden.