63/Alles Theater/Bericht: Friedrich Cerha Musiker und Maler
SEQUENZ & POLYVALENZ
im forum frohner, Minoritenplatz 4, 3504 Krems/Stein 14.2. – 28.3.2016 Di-So 11-17 Uhr
Bei der Eröffnung der Ausstellung war Eva Riebler-Übleis für die LitGes präsent.
Zum 90. Geburtstag des bekannten Musikers Cerha wurde in Kooperation mit dem Archiv der Zeitgenossen - Sammlung künstlerischer Vor- und Nachlässe an der Donau- Universität Krems - das erste Mal auch eine kuratierte Ausstellung seiner Objekte, grafischen und malerischen Arbeiten aus den 64er Jahren bis heute präsentiert. Die Kuratorin Theresia Hauenfels ging auf seinen Dachboden und suchte sich aus einem großen Arsenal Fundstücke aus. Fundstücke waren als Knabe bereits seine Lieblingsobjekte. Und so sind seine frühen Werke Materialbilder und Tableaus aus gesammelten mehr oder minder bedeutungslosen Gegenständen; meist aus Holz oder Metall. Sein um 10 Jahre jüngerer Bekannter, Adolf Frohner, war ebenfalls ein Sammler, der genauso in der Materialhaftigkeit und Stofflichkeit verhaftet war. „Die meisten Menschen gehen eingeschliffene Wege. Ich habe gesammelt! Wurzeln, altes Holz etc., alles was ich schön fand! Die Achtsamkeit habe ich kultiviert. Ich beobachte auch heute noch. Meine Frau wirft mir vor – ich interessiere mich mehr für Dinge als für Menschen!“, so der Sammler Cerha. Ähnlich ist es mit der Verknüpfung zwischen Bildnerischem und Kompositorischem beim ausgestellten Bild Baals Frauen, 1964, und seiner Oper Baal. Baal aus dem vertonten Drama Brechts ist ein Draufgänger, der den Frauen Leid bereitet und so sind auch die Gesichtszüge der drei Frauen im Bild sehr amorph, unsexy bis leidvoll und beschädigt. Es ist eines der wenigen Werke, das einen Titel trägt, der auf eine Konstitution hinweist. Nicht nur altes Holz, auch Steine, Metallteile, Rohre, Münzen, Baumrinde, Schlüssel usw. – alles objets trouvés, die Cerha zu Erinnerungen manifestiert. Auch in seinem musikalischen Schaffen entstand 1969 ein Werk, das er Catalogue des objets trouvés betitelte. So erzählt er in der Kammermusik von seiner Liebe zum Sammeln und bündelt diese in Rhythmus und musikalische Form. Die strenge Geometrie seiner Tableaus und Assemblagen folgen einer inneren Logik. „Immer führt alles zur Geometrie zurück“, meinte Cerha. In seiner Berufslaufbahn lief Musik und Malerei nebeneinander her. Jedoch bekam er Aufträge für Musikstücke oder die Oper Baal. „Ich bin ohne Absicht und Ehrgeiz in die Rolle des Komponisten hineingeschlittert. Mir fehlte der Ehrgeiz in der bildenden Kunst. Frei nach Brecht: Die im Dunkeln sieht man nicht!“ Nun bezeichnet er sich selber als „Debütant“, da er mit 90 Jahren eine so große Ausstellung an einem so würdigen Ort bekommen hatte. Er liebte nie das Grelle und wählte vor Ort auch das weichere Licht im Kubus des frohner forums. Es diene der Kommunikation, meinte Cerha. Und die findet sicher statt, nimmt man sich genügend Zeit und lässt die Objekte und Bilder auf sich wirken.
Friedrich Cerha
Geb.1926 in Wien, desertierte mittels Unterschriftfälschung zweimal von der deutschen Wehrmacht und erlebte das Kriegsende als Hüttenwirt in den Tiroler Bergen. Studierte ab 1946 Violine, Komposition und Musikerziehung an der Akademie für Musik in Wien und Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie (Promotion 1950) an der Universität. Zunächst Geiger und Musiklehrer, Kontakte zur avantgardistischen Untergrundszene junger Maler und Literaten um den Art-Club und andererseits zum Schönberg-Kreis der österreichischen Sektion IGNM. Beschäftigte sich mit der Wiener Schule, Arnold Schönberg und Anton Webern. Zur Präsentation der Avantgarde gründete er 1958 mit Kurt Schwertsik das Ensemble „die reihe“. Lehrte ab 1959 an der Hochschule für Musik in Wien, wo er 1976-88 eine Professur für Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik innehatte. War 1960-97 Dirigent renommierter Ensembles und Orchestern und z.B. u a. bei den Salzburger Festspielen, Berliner und Wiener Festwochen, Biennale Venedig … und an Opernhäusern von Wien, München, Berlin Buenos Aires etc. Er erhielt zahlreiche Aufträge für Ensemble-, Chor- und Orchesterwerke von New York bis Wiener Philharmoniker oder Steirischem Herbst Graz. Viele Auszeichnungen, u. a. 2006 das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, „Officier des Arts et Lettres“, den „Goldenen Löwen“ der Biennale Venedig …