45/ LitArena 5 - Wettbewerbsbericht: Thomas Havlik

Thomas Havlik
WETTBEWERBSBERICHT, DIE ZEITSPUR

Intensiv auseinandergesetzt mit den rechtzeitig eingelangten, anonymisierten Prosaarbeiten haben sich in diesem Jahr die als Jurymitglieder fungierenden Autorinnen Patricia Brooks und Anna Kim sowie der Autor Thomas Havlik.
Was sich aus den Beiträgen gut herauslesen ließ, waren der Wille zur handwerklichen Arbeit als auch der Wunsch, „sich selbst auszudrücken“. Wenn dabei oft (noch) der bestechende Schritt hin zum „tatsächlich Eigenen“ fehlte, hat es doch auch gefunkelt.

Jessica Linds Arbeit „35mm“ überzeugte zum Beispiel in vielerlei Hinsicht. Zum einen ist da ihre souvären gehandhabte Lakonie, die sich nie dazu verleiten läßt, noch eines darauf zu setzen, wo durch Aussparung bereits alles gesagt ist. Dieses Zelloloid brennt. Andererseits bemüht sich die Autorin, keine Geschichte zu schreiben, die aus „Anfang, Mitte und Schluß“ besteht, sondern versucht, wie es im Text heißt, die „Einheit von Zeit, Raum und Handlung aufzulösen“. Dadurch wird eine künstlerische Haltung sichtbar - und man hört einen individuellen Sound.

Worüber er erzählen will und auf welche literarischen Mittel und Kniffe er zurückgreifen kann, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, weiß auch der Autor Daniel Zipfel genau.
Geschickt tänzelt er in seinem Text „Bescheid“ zwischen Orten, Perspektiven und, damit einhergehend, zwischen den Charakteren. An die verschiedenen Orte, einem österreichischem Asylamt sowie einem syrischen Dorf andererseits, folgt man ihm gespannt. Dass er es dabei beläßt, die Dinge darzustellen, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, ist sehr gelungen.

Eine der Stärken von Stefanie Schweins' „Wer ist Peter Marshall?“ liegt in der Auslotung dessen, inwieweit es möglich ist, das Traumhafte in realistischer Sprache darzustellen. Lustvoll wird anstatt der Syntax die Wirklichkeit gebrochen. Das Surreale dunkelt herüber ins Alltägliche, Gewohnte, um es - ohne die eventuellen Auswirkungen vorwegzunehmen - zu infiltrieren und um, nicht zuletzt im Leser, Fragen aufzuwerfen. Etwa die nach der Künstlichkeit der eigenen Existenz. Das prallt. Und prallt aus einem kunstfertigen Abstand zu biografischen Tendenzen zurück.

Zusätzlich zu den ausgewählten Wettbewerbstexten, deren Vielfalt einen Ausschnitt der aktuellen jungen Prosawelt hervorheben möge, wurden auch dieses Jahr zum Teil bislang unveröffentlichte Frühwerke von im Literaturbetrieb arrivierten österreichischen Autorinnen aufgenommen, die, abgesehen vom Entstehungszeitraum und etwaiger Publikationsorte, für sich alleine stehen. Allen, die sich daran beteiligt haben, an dieser Stelle ebenfalls noch einmal ein herzliches Dankeschön.

etcetera 45/ Oktober 2011/ Litarena 5