47/Pöbel/ Bericht: 21. GWUP-Konferenz. Franz Reichel
Franz Reichel
Mit Vernunft und Wissenschaft gegen esoterischen Unfug
21. GWUP-Konferenz: „Fakt und Fiktion“, 2. - 4. Juni 2011. Die „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“ ist der Verein für deutsche Skeptiker. Die für 2011 organisierte 21. Jahreskonferenz wurde dieses Mal in Wien von der österreichischen Gruppe (GkD: Gesellschaft für kritisches Denken) veranstaltet. Der Eröffnungstag fand im Naturhistorischen Museum statt und anschließend im Kuppelsaal der Technischen Universität.
Die GWUP hat das Ziel, Themen, die in den öffentlichen Medien kontrovers diskutiert werden, unwissenschaftliche sowie außerhalb der anerkannten Wissenschaften aufgestellte Behauptungen zu überprüfen. Zweifelhafte Methoden, Verfahren, Geräte und Produkte werden unter die Lupe genommen, auf ihre Sinnhaftigkeit in der Anwendung und ihre Seriosität getestet. In unserer Gesellschaft finden sich in der Esoterikszene, in der Gesundheits- und Ernährungsbranche, bei der Lebenshilfe unzählige Anbieter, die mit pseudowissenschaftlicher Werbung und geschicktem Marketing völlig wirkungslose Produkte zu horrenden Preisen an den ahnungslosen Konsumenten bringen. Die GWUP bietet mit ihren Wissenschaftlern sachliche Information bei oft emotional stark besetzten Themen und leistet für die Gesellschaft einen seriösen Beitrag zur Aufklärung. Die der Öffentlichkeit zugängliche Eröffnungsveranstaltung mit der abschließenden Verleihung des Goldenen Bretts wurde zum absoluten Erfolg. Viele Gäste fanden in dem vollen Saal keinen Einlass mehr. Christian Köberl, Direktor des NH-Museums, Amardeo Sarma, Vorsitzender der GWUP und Ulrich Berger Vorsitzender der GkD eröffneten gemeinsam die Tagung.
Ausführliches zum ersten Tag finden Sie auf der LitGes Homepage.
Es ist nicht von ungefähr, dass man ausgerechnet Edzard Ernst, der die erste Professur für Komplementär- und Alternativmedizin (CAM) in Großbritannien erhielt, als Gast der Konferenz einlud. Der gebürtige deutsche Arzt mit engl. Staatsbürgerschaft wurde erst zum Skeptiker der CAM, als er anfing darüber wissenschaftlich zu recherchieren. Seit dem Bestseller, den er mit dem britischen freien Wissenschaftsjournalisten Simon Singh herausgab Trick or Treatment? Alternative Medicine on Trial (2008) oder Gesund ohne Pillen (Hanser Verlag, 2009) gab es eine Wende in seinem Leben. Sogar Prince Charles deklarierte ihn zu seinem „Feind“. Dabei wäre schon der Name dieser medizinischen Methode irritierend. Alle fünf Jahre wird er gewechselt. Von der Randmedizin zur unorthodoxen, zur gesamtheitlichen, zur natürlichen, zur komplementären oder alternativen Medizin ist die Rede. Wohin geht sie nur, die CAM? In ihrer Vielfalt bestimmt sie einen unkontrollierten Markt von Behandlungsmethoden und Heilmitteln. Ernst gab nicht nur eine Übersicht über die Umsätze, die Verbreitung in Praxen und medizinischen Einrichtungen, vielmehr wies er mit Nachdruck darauf hin, dass jegliche Qualitätskontrolle selbst bei bekannten Verfahren wie Homöopathie, Akupunktur, Chiropraktik, chinesischer Kräutermedizin etc. fehlen. Laut seiner Definition ist die CAM der Bereich des Gesundheitswesens, in dem jeder jedwede therapeutische Behauptung ohne Angst vor Strafverfolgung aufstellen kann. Der gutgläubige Konsument sollte sich klar sein, dass unwiderlegbare Argumente nichts beweisen. Aussagen über die natürliche Wirksamkeit x-beliebiger CAM Behandlungen sowie deren subjektiv positive Erfahrungen bilden jedoch die Basis für das CAM Geschäft. Der Großteil der CAM ist nicht evidenzbasiert (EBM), daher von der Naturwissenschaft nicht überprüft. Da bis auf Ausnahmen die Einnahme von CAM-Mitteln wie Globulis kaum mit Gesundheitsrisiken verbunden ist, floriert die Branche! „Those who can make you believe absurdities can make you commit atrocities“*
Den Gegenpart lieferte die Kultur- und Sozialanthropologin Michaela Noseck-Licul mit ihrem Vortrag Energie als Metapher in der österr. Heilerszene. In ihrer Forschung geht es um eine UNESCO Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes, hier speziell der traditionellen Heilmethoden. Mit der Medizinanthropologie sollen soziologische, politische, philosophische und kulturelle Dimensionen erfasst werden. Man unterscheidet messbare und nicht messbare Energie in der CAM, welche spirituelle Komponenten mit nicht physikalischen Eigenschaften sind. Ihr Schwerpunkt liegt demnach nicht in der objektiven messbaren Kraft, sondern in der Kommunikation. Klar, ein Arzt, der einem Patienten zuhört, kann Wunder bewirken.
Wer aber hat noch nicht vom Mozarteffekt gehört? Womöglich wäre dies eine Millionenshowfrage... Dabei handelt es sich beim Mozarteffekt um einen hartnäckigen Mythos, weiß Psychologe Jakob Pietschnig. Durch Hören von Mozarts Musik soll Gesundheit, Erziehung und Wohlbefinden gesteigert werden und dies nicht nur beim Menschen sondern auch bei Tieren und Mikroben. So ließen sich werdende Mütter in den 90er Jahren ihren Bauch mit Mozart beschallen in der Hoffnung auf ein glücklicheres und intelligenteres Kind. Aber schließlich erwies sich auch dieser Effekt als Chimäre und man kann sich getrost anderen Komponisten widmen.
Wie aber arbeiten Wissenschaftler? Woran arbeiten sie und wie veröffentlichen sie ihre Ergebnisse? Der Biochemiker Tim Skern zeigt als Beispiel, dass von 400 wöchentlich publizierten Arbeiten über den Zelltod, gerade zwei wert sind, gelesen zu werden. Die Fülle und Qualität der Veröffentlichungen bilden ein Spannungsfeld zwischen den Wissenschaften und den Medien. Medien diktieren was die meisten Menschen über wissenschaftliche Debatten wissen. Am Beispiel der Vogelgrippe (H5N1 Virus) zeigt Skern, wie die Medien einen Hype bezüglich einer potentiellen Pandemie erzeugen. Skern hält ein Plädoyer darüber, Studenten zu unterrichten, was Wissenschaft ist, ihre Philosophie, ihre Datenaufbereitung und deren Interpretation, denn schließlich, argumentiert Skern, erfordere das Fahren mit einem Navi mehr geistige Anstrengung wie ohne dessen Hilfe.
Der Wirtschaftswissenschafter und Obmann der GkD Ulrich Berger zeigte bei dieser Konferenz, wie man mit Statistiken tricksen kann. Die pseudostatistischen Effekte seien jedoch hinlänglich bekannt. Eindrucksvoll belegte er die positiven Erwartungen freiwilliger Probanden und ihre Auswirkung auf ihre Aussagen. Dabei handelt es sich um selektive Erinnerungen, Bestätigungstendenzen, Gefälligkeiten gegenüber dem Studienleiter, suggestive Fragestellungen, die zur einer systematischen Verzerrung (Bias) führen. Oft handelt es sich dabei um unverblindet durchgeführte Studien. Negativ ausgefallene Studien werden noch nicht mal veröffentlicht, somit bleibt ihr Scheitern unbekannt!
Deshalb halten sich die Gerüchte, vor allem, wenn sie mit Ängsten zu tun haben und diese genährt werden. Einer der beliebtesten Ängste im westlichen Wirtschaftsraum ist die vor Handystrahlen. Der Referent Manfred Ruttner hat Landschaftsplanung und Landschaftsökologie studiert.
Nun arbeitet er für A1-Telekommunikation in der Abteilung Umwelt. Oft werden Beschwerden wie Kopfweh, Schlafstörungen und Schlafqualität mit der Präsenz von Handys und Handymasten in Verbindung gebracht. Ruttner erklärte sehr verständlich die Technik dieser Geräte, die Notwendigkeit eines dichten Netzes von Mobilfunkanlagen, deren Leistung und die Grenzwerte, aber vor allem, was ein Handy macht, wenn es inaktiv ist. Ruttner spricht von dem SAR-Wert (SAR = Spezifische Absorptionsrate in W/kg in biologischem Gewebe), was er bedeutet und welche Grenzwerte in Österreich von Seiten der Betreiber einzuhalten sind. Anhand internationaler Untersuchungen konnte kein Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks unterhalb der Grenzwerte und Schlafstörungen gezeigt werden. Hingegen finden sich subjektive, psychologische Faktoren sowohl in Richtung Placebo- wie Noceboeffekt. Die Untersuchungen laufen weiter, um noch offene Fragen zu klären, doch kann man davon ausgehen, dass eine Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunk wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden kann. Es ist davon auszugehen, dass bei Einhaltung der Grenzwerte keinerlei Gesundheitsgefährdung für den Menschen besteht. Das wird von der WHO und zahlreichen nationalen Strahlenschutzbehörden bestätigt. Also keine Angst, dass das Ohr beim Telefonieren zu heiß wird!
Der Psychologe Andreas Hergovich zeigt die aktuellen Entwicklungen in der Parapsychologie (PP), die sich heute durch hohe methodische Kompetenz auszeichnet und ihre Publikationen in anerkannten Journalen lanciert. Aktuelle Trends in Naturwissenschaften und Psychologie werden inhaltlich und methodisch auf die Parapsychologie umgelegt und die Vertreter versuchen, im Rahmen der harten Wissenschaften, dialogfähig zu bleiben. Die Neurowissenschaften und die Quantenphysik werden bereits in einer neuen Zeitschrift „Neuroquantology“ vermählt, welcher es gelungen ist, in den wissenschaftlichen Zitationsindex aufgenommen zu werden. Kritisch zu sehen, sind die immer wieder angeführten Analogien, spirituellen Facetten und Wissenschaftler, die quasi überlaufen und damit der PP ein medienwirksames Potential verleihen. Trotz dieser Präsenz und positiver Studien bleiben aber Erfolge offensichtlich aus.
Dass man sich auf Wissenschaftler und Universitätsprofessoren nicht immer verlassen kann, zeigt das Beispiel der Innsbrucker Professorin Claudia von Werlhof, die 2010 mit der Behauptung Aufsehen erregte, dass das HAARP-Experiment** dazu diene, künstliche Erdbeben auszulösen und die US-Regierung mit dem verheerenden Erdbeben in Haiti als Verursacher in Zusammenhang gebracht wird.
Hierfür wurde sie sogar für den Skeptic Award des Jahres 2011 - dem Goldenen Brett - nominiert. Der Physiker und Meteorologe Holm Hümmler meint hierzu, Werlhof sei Frauenforscherin und nicht naturwissenschaftlich tätig. Abgesehen davon gibt es ähnliche Sendeanlagen mit vergleichbaren Leistungen, von denen diese Gefahr offenbar nicht ausgeht. Ein Beispiel wie viele andere, dass auch UniversitätsprofessorInnen Verschwörungstheorien aufsitzen.
Die Experimente in der Arktis verfolgen das Ziel, die oberen Atmosphäreschichten insbesondere die Ionosphäre zu untersuchen. Trotz der Öffentlichkeit dieses Experiments, es nehmen zahlreiche Universitäten an dieser Forschung teil, halten sich die Vermutungen, dass dort geophysikalische Kriegsführung erforscht wird. Hümmler ging ebenfalls auf die Chemtrails ein, ein alltägliches Phänomen, das die Kondensstreifen von Flugzeugen betrifft. Diese halten sich je nach meteorologischen Bedingungen unterschiedlich lange, welches zu einer weiteren Verschwörungstheorie führt, nämlich dass dunkle Mächte uns mit Chemikalien besprühen.
Aber das ist noch nicht alles. Sie können sich sicher erinnern, 2010 bemühte sich die Presse, dank vieler naturwissenschaftlich unterbelichteter Journalisten, möglichst breitbandig von der „Schwarzen-Loch-Maschine“ zu berichten, die möglicherweise die ganze Erde verschlingen könnte. Das Experiment läuft nun bereits fast ein Jahr und die erregte Presse nimmt kaum Notiz, berichtet der Quantenphysiker Florian Aigner. Aufgeregte Akteure u.a. der dt. Biochemiker Otto Rössler wollten gar eine einstweilige Verfügung zur Einstellung dieses Grundlagenexperiments erwirken. Im CERN*** hatte man schon vor Jahren (2003) diese Mechanismen untersucht und die experimentellen Gefahren des LHC (Large Hadron Collider) ausgelotet. Aigner ging auch auf die Strangelets und Strange-Quarks ein und entschärfte durch verständliche Beispiele diese Horrorvisionen.
Soviel zu Fakt und Fiktion in Wien, es bleibt nur mehr die nächste Skeptiker-Konferenz für heuer anzukündigen, denn dieses Mal ist in Berlin vom 18. bis 20. Mai 2012 der 6th World Skeptics Congress: Promoting Science in an Age of Uncertainty angesagt.
Anmeldungen: www.worldskeptics.org oder www.gwup.org
* Die, die dich Absurditäten glauben machen, können dich Abscheulichkeiten begehen lassen.
** High Frequency Active Auroral Research Program
*** Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire