63/Alles Theater/Bericht: Hermann Nitsch und das o.m. Theater
Der 1938 geborene österreichische Künstler Hermann Nitsch, Vertreter des Wiener Aktionismus, hat sich insbesondere mit seiner Aktionskunst, einen Namen gemacht. Seine visionären Werke bewegen sich zwischen Malerei und Theater. Das Münchner Museum Villa Stuck hat dem Ausnahmekünstler eine Ausstellung gewidmet, in deren Fokus das o.m. Theater, das Orgien Mysterien Theater, steht. Bericht von Cornelia Stahl.
Ziel der Ausstellung, die in Kooperation zwischen dem Theatermuseum Wien und dem Münchner Museum Villa Stuck entstand, ist das Sichtbarmachen des „o.m.theaters“ für den Besucher, vor dem Hintergrund der Gesamtbetrachtung des Künstlers. „Wie kann man den Begriff des o.m.theaters decodieren?“, fragt sich der Besucher zunächst. Im Orgien Mysterien Theater geht es sechs Tage und Nächte um rauschhafte Existenzerfahrungen und kathartisches Erleben, kurz gesagt um meditative Erlebniskunst. Nitsch, der auch als Universalkünstler bezeichnet wird, arbeitet seit 1957 an der Theorie und Umsetzung seines o.m.theaters, dem dramatischen Epos, welches einer idealen Architektur bedarf. Zunächst entwarf er diese Idealarchitektur an seinem Wohn-und Arbeitsort Schloss Prinzendorf. Daraus wurde schließlich ein als Existenzfest angelegtes Mythenspiel. Einzelne Elemente daraus führte Nitsch seit 1963 an unterschiedlichen Orten auf. Erst seit 1998 werden alle Elemente seines o.m.theaters in voller Länge, also während der o.g. sechs Tage und sechs Nächte, aufgeführt. An der Wiener Staatsoper und dem Wiener Burgtheater, am Opernhaus Zürich, und zuletzt 2011 an der Bayerischen Staatsoper sorgte Nitsch mit seinem Konzept des o.m. Theater für Schlagzeilen. Bahnbrechend reihte sich Nitsch mit seinem außergewöhnlichen Theaterkonzept und seinen Aufführungen in die Liga der visionären Künstler ein, vergleichbar mit Konzepten des Künstlers Christoph Schlingensief. „Worin besteht nun der Reiz der Ausstellung?“, fragt sich der Besucher, für den Nitsch kein unbeschriebenes Blatt mehr ist? Die Ausstellung inkludiert die bisher wissenschaftlich unbearbeitete Handschriftensammlung des Künstlers sowie Filmdokumente. Weiters zeigt Nitsch eine eigens für die Ausstellung hergestellte Video-Rauminstallation, die das Thema Synästhetik fokussiert sowie eine Präsentation der 1998 aufgeführten Stiertage. Die für den Besucher neuen Objekte bereichern die Schau und geben einen erweiterten Einblick in das Schaffen des Aktionskünstlers. Nicht überall stoßen die Werke Nitschs auf Zustimmung und Bewunderung. Kritiker warfen ihm Blasphemie vor. Autoren wie Hilde Spiel kritisierten die „Rohheit“ seiner Aktionen. Am Geschmack scheiden sich die Geister, doch an der Auseinandersetzung mit dem österreichischen Ausnahmekünstler kommt man in Österreich nicht vorbei. Zur Ausstellung, die zuvor im Theatermuseum Wien gezeigt wurde, hat Michael Karrer einen Katalog herausgegeben. Für alle, die die Ausstellung in Wien verpasst haben, besteht nun also eine zweite Chance, dem Künstler zu begegnen. Das Buch zur Ausstellung ist empfehlensund lesenswert (auch wenn sie auf den Ausstellungsbesuch verzichten).
Hermann Nitsch - Das Gesamtkunstwerk des Orgien Mysterien Theaters, Buchhandlung Walther König, Köln 2015, ISBN 978-3-86335-702-3
Die Ausstellung Existenz-Fest. Herman Nitsch und das Theater ist vom 5.Februar bis 8.Mai 2016 im Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, in 81675 München zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18Uhr.
Nähere Informationen: www.villastuck.de