Manfred Deix: Erinnerungen an die 68er. G. Axmann

Manfred Deix
ERINNERUNGEN AN DIE 68er

 

 
Gerhard Axmann, der Layouter von „etcetera“ interviewte seinen langjährigen Freund Manfred Deix. Er öffnete auch seinen Fundus von Zeichnungen in alten Schulheften, die in der gemeinsamen Zeit an der „Graphischen“ um 1968 entstanden sind.

 

 

 

Was hast Du mit Deiner Kunst bewegt?

 

Ich fürchte, gar nichts. Nur habe ich sowieso nie die Illusion gehabt, mit Zeichnungen auch nur einer Kleinigkeit bewegen zu können. Das Einzige, was meine Kunst hoffentlich bewegt hat, war die Zwerchfellmuskulatur der Fans oder eine Anschwellen der Zornesader auf den Stirnen vieler, die meine Bilder hassen.

 

Was hat sich in deiner Zeichenkunst verändert?

 

Da ich bereits als 3-Jähriger gezeichnet habe, glaube ich doch im Lauf der Jahre einige qualitative Fortschritte gemacht zu haben. Man lernt sehr viel, wenn man viel zeichnet, das heißt, man wird besser. Mich trifft heute noch der Schlag, wenn ich mir manche Blätter anschaue, die ich vor 20, 30 Jahren verbrochen habe. Einige davon waren grottenschlecht, andere wieder besser als das, was ich jetzt mache. Von der Technik her, sind meine Bilder malerischer geworden. Anfänglich habe ich kolorierte Federzeichnungen gemacht, stark beeinflusst vom amerikanischen Undergroundzeichner Robert Crumb. Die Technik war mir zu zeitaufwändig, also habe ich auf die pure Aquarelltechnik umgesattelt. Aber das ist Fachchinesisch und interessiert eh niemanden.

 

Erinnerungen an Dein 68er Jahr?

 

1968 bin ich im Februar aus der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt hinaus geworfen worden, weil ich wegen Schulschwänzens zu viele Fehlstunden hatte. Außerdem gab’s einen Wickel mit dem Religionslehrer, weil er eine lustige Jesus-Karikatur von mir entdeckt hat. Von wegen 68er Rebellion: lächerlich. Gottfried Helnwein, heute ein weltweit anerkannter Maler, musste in der selben Schule, die heute prahlt, ihn und mich als Studenten gehabt zu haben, eine Nachprüfung in Turnen machen, um sein Abschlusszeugnis zu kriegen. Verrückt. Ich habe nach meinem Hinauswurf auf der Akademie für Angewandte Kunst inskribiert und bin im Herbst auf die Akademie der Bildenden Künste am Schillerplatz gewechselt, weil’s dort wesentlich lockerer zugegangen ist. In der Graphikklasse war mein Studienkollege und Sitznachbar der heute berüchtigte Drahdiwaberl-Gründer Stefan Weber. Wir sind, ich 19, er 22, wie Volksschüler nebeneinander gesessen, haben gelacht und lustige Bilder gemalt und alle zwei Stunden ist der besoffene Professor vorbeigekommen, hat irgendwas gelallt und ist wieder verschwunden. Zwischendurch hat irgendwer einen Doppelliter Rotwein und ein paar Schweinsstelzen organisiert. So wurde also gegessen, getrunken und Kunst gemacht. Zwei Stunden später hat der Professor noch zwei Doppler spendiert. Der Tag war gerettet und die Kunst sowieso. Erst zwei Jahre später hat in der Akademie die Politik Einzug gehalten. Plötzlich haben gstopfte Söhne und Töchter ihre Zuneigung zur Arbeiterklasse entdeckt und haben rote Vietcong-Fahnen geschwungen. Ich habe mich nie als 68-er verstanden und war bei keiner dieser lächerlichen Demos dabei. Allerdings habe ich den neuen Geist dieser Zeit sehr wohl verstanden und habe die neuen Freiheiten für mich genützt. Plötzlich war viel mehr erlaubt, als früher. Ab 1970 gabs das Magazin Profil und dort konnte ich mich zeichnerisch austoben. Bei aller Kritik an den 68er Bürgerbubis und Mädis: die Bewegung war trotz vieler Fehler sehr wichtig und hat frischen Wind ins Land gebracht, von dem alle profitiert haben. Langhaarige haben vor 68 auf offener Straße Ohrfeigen von wildfremden Leuten bekommen, nachher hat sich das schlagartig geändert.

 

Wie politisch soll Kunst sein?

 

Kunst darf, kann und muss aber überhaupt nicht politisch sein. Kunst darf alles, je nach dem wie dem Künstler/der Künstlerin zu Mute ist. Kunst soll nichts sollen.
Was rätst Du der Jugend von heute?

Also, Jugendliche von heute, ich rate euch folgendes:
Es gibt da viele Bücher von mir, in denen es von Lebensweisheiten und lustigen Bildern nur so wimmelt. Kauft euch diese Bücher, und ihr seid weltanschaulich und intellektuell total aus dem Schneider. Ihr werdet die Welt mit anderen Augen sehen, alles viel klarer erkennen, werdet den Wert der Sprache neu erkennen, das Elixier des Humors als lebenswichtig erkennen und als Deix-Freaks gesellschaftlich höchsten Stellenwert genießen, und das für wenig Geld.

 

Es ist auch ein Buch mit dem Titel „Der Dichter Deix“ erschienen. Warum spielt in deinen Arbeiten der Text immer mehr eine Rolle, ist das weil Du sichtlich Spaß beim Reimen hast?

 

Meine erste Erfahrung mit bildender Kunst waren betextete Bilderbücher, z. B. Max & Moritz von Wilhelm Busch, später dann Comics wie Donald Duck von Carl Barks. Künstler, bei denen Sprache und Bild einander ergänzen. Texte können ein fades Bild total aufwerten und verbessern. Außerdem bereitet es ein Riesenvergnügen, Gedichte zu machen. Ursprünglich hatte ich Riesenrespekt vor dieser Kunstform und ihrer Qualität. Allmählich hab ich mich an die Textkunst herangewagt und bald viel Lob erfahren. Mittlerweile habe ich hunderte Gedichte geschrieben und stelle fest, dass ich den größten Genuss beim Schreiben empfinde. Zeichnen kann ich ja sowieso, aber Schreiben ist aufregendes Neuland.

 

Biografie: Manfred Deix

Geb. 1949 in St. Pölten. 1960 erste Comicstrip-Serie in der „NÖ- Kirchenzeitung“.
1965 Eintritt in die Höhere Graphische Lehr- und Versuchsanstalt, Wien. 1968 Beginn des Studiums an der Akademie der bildenden Künste , Wien. 1972 erste Veröffentlichungen in den Magazinen „profil“, „trend“, „Economy“. 1978 Titelblätter und Zeichnungen für „Stern“, „Spiegel“, „pardon“, „Titanic“, „Playboy“.
1980 erstes von bisher dreizehn Bücher.
1984 Heirat mit Marietta in Las Vegas; erster persönlicher Kontakt mit den „Beach Boys“.
Ausstellungen in Wien, Berlin, Hamburg, Ludwigshafen, Heilbronn, Frankfurt, Hannover, Köflach. Fernsehportraits von ORF, BBC, ZDF, SRG, 3sat.
1988 Verleihung des Nestroy-Ringes der Stadt Wien.
1995 Goldene Schallplatte für die CD „Musik aus Ameriga“ und wöchentliche Cartoons im Magazin „News“.
2005 Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien; Permanentausstellung Deix in the City im Karikaturmuseum Krems.
2006 Buchpreis der Wiener Wirtschaft