Mark Benecke: Spontane Selbstentzündung. Ingrid Reichel
Mark Benecke
SPONTANE SELBSTENTZÜNDUNG
![]() |
Ingrid Reichel bemühte sich keine Spuren zu hinterlassen, als sie den deutschen Kriminalbiologen und Spezialisten für forensische Entomologie Mark Benecke im Rahmen der GWUP-Konferenz (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) 2009 in Hamburg interviewte. Der Begriff Entomologie kommt aus dem Griechischen und bedeutet Insektenkunde. Benecke konnte also anhand der Insektenbesiedlung auf einer Leiche so manchen Fall bearbeiten…
In Hamburg allerdings berichtete er über das Phänomen der Selbstentzündung, von Menschen also, die ohne Zutun sich in Flammen auflösen. In der Esoterik beteuert man immer wieder die innere Hitze als Beweis der menschlichen Energie. Ob es die Liebe oder gar der Hass ist, der uns so heiß macht, es wäre nicht verwunderlich, wenn Menschen, die zuviel Energie in sich haben und nicht wissen wohin mit ihrem Überschuss, sich einfach entflammen. Fiktive und phantasievolle Darstellung von Künstlern, davon gibt es ja genug. Und Menschen lieben die Mystik und das Unerklärliche. Wenn also ein Feuerwehrmann einen Leichnam findet, dessen Arme oder Beine beinahe unversehrt bleiben, hat er was zu rätseln. Und wenn er clever ist, benachrichtigt er z.B. Mark Benecke und erzählt ihm von seinem unglaublichen Fund.
Benecke zeigte anhand von Fotografien, wie sich ein Stück Fleisch, in seinem konkreten Experiment waren es Schweinebrustkörbe sowie ein ganzes Schwein, reagieren, wenn es bekleidet angezündet wird. Außerhalb verkohlt es, doch unterhalb der schwarzen und abbröckelnden Kruste bleiben noch klar erkennbare Substanzen übrig. Das heißt in dem Fall der spontanen Selbstverbrennung müsste das Fleisch von innen her verkohlen, tatsächlich ist es aber immer von außen her verkohlt. In dem einen konkreten Fall, wir nennen ihn nach dem Opfer den Fall der Adele, konnte Benecke nachweisen, dass die vermutete Selbstverbrennung über das Sammeln von Muscheln passierte. Muscheln, die mit Phosphorpartikeln aus Bomben aus dem zweiten Weltkrieg behaftet waren, entzündeten sich in der Jackentasche der Sammlerin, während sie im Auto neben der aufgedrehten Heizung saß. Frau Adele überlebte mit knapper Not, weil sie mit ihrer Familie unterwegs war, als der Vorfall passierte. Benecke recherchierte über einige Jahre, bis er den Fall vollständig klären konnte.
Ist der Beruf des Kriminalbiologen nicht noch eine Rarität?
Das kommt darauf an. Genetische Abdrücke machen viele. Es gibt in jedem Land ein örtliches oder bundesweites Kriminalamt …
Aber diese forensische Entomologie …
Ja, das ist eine besondere Spezialisierung. Ich bin zudem öffentlich bestellter und vereidigter beeideter freiberuflicher Sachverständiger; das ist gewiss ungewöhnlich.
Führt dich diese ungewöhnlich Kombination auch ins Ausland, z.B. nach Amerika?
Nicht bei echten Fällen, die können die KollegInnen auch alleine bearbeiten. Ich habe aber von 1997 bis 1999 in der Rechtsmedizin Manhattan als Kriminalbiologe gearbeitet und fahre immer noch zu den U.S.-Kongressen der Forensiker.
Speziell auf die Häufigkeit der Spontanverbrennungen, wie oft kommt das tatsächlich vor? In den Medien wird davon kaum berichtet.
Das hängt davon ab, ob es der Presse, dem Fernsehen oder einem Kollegen erzählt wird. Das kann ich nicht sagen, wie oft das vorkommt. Das weiß ich nicht. Wie oft jetzt diese spezielle Zusammenstellung stattfindet, die dann in dieser Erscheinung resultiert, dass hauptsächlich nur mehr Arme oder Beine übrig bleiben, das weiß kein Mensch. In Amerika und Europa guckt man da natürlich eher drauf, weil dort gründlicher dokumentiert wird. Aber was da in Asien passiert oder in anderen, kleineren Ländern… es ist halt eine Frage der Berichterstattung. Darüber kann man keine Statistik machen.
Du hast in deinem Vortrag erwähnt, dass du ausschließlich Kleidung aus Synthetik trägst. Gibt es dafür einen besonderen Grund?
Weil man die sehr gut waschen kann. Baumwollklamotten gehen beim häufigen Waschen sehr schnell kaputt oder färben aus oder beides.
Synthetik brennt doch aber leicht, ich denke an die Experimente, die du zur Veranschaulichung dieses Vortrags gefilmt hast.
Ich weiß gar nicht, ob die so leicht brennen. Ich trage so Outdoor-Equipment, das könnte auch irgendwie schwerer entflammbar sein.
Bezüglich des Outfits, warum bist du mit so vielen Karabinerhaken ausstaffiert?
Ich habe für meine Koffer, die ich immer im Zug schleppen muss, so ein Gestänge, da muss ich meine Taschen anklemmen. Meine Ausrüstung besteht aus einer Zusammenstellung verschiedener Taschen. Mit den Karabinern befestige ich sie über ihren Henkel an das Gestänge.
Wie genau kann man heute in so einem Kriminalfall den Todeszeitpunkt feststellen?
Das kommt auf die Umstände an. Wenn du die Temperatur gut kennst, ja vor allem die Temperatur, aber auch den Kaliumgehalt des Auges, die Erregbarkeit der Skelett-Muskulatur und so weiter, dann kann man den Zeitpunkt des Todes an einer Leiche ziemlich genau feststellen.
Im Krimigenre, ob Literatur oder Film, wird damit massenhaft Schindluder getrieben. Berätst du Autoren?
Ja klar. Wenn sie mich fragen. Die meisten Autoren lehnen aber eine Beratung ab, weil sie im Endeffekt ja was Verrücktes erfinden wollen. Sie wollen nur ein paar wissenschaftliche Worte hören, die sie einstreuen können. Aber in der Regel sind sie nicht daran interessiert, ihren Fall realistisch vorzuführen, weil sonst der ganz Plot kaputt geht. In 99 % der Fälle ist das nur ein Witz. Man streut ein bisschen Wissenschaft als Salzkörnchen rein. Aber das ist fast nie ernst gemeint.
Es boomt an forensischen Serien. Wie sehr liegen die daneben?
Das weiß ich nicht. Ich habe keinen Fernseher.
Kein CSI, keinem Täter auf der Spur?
Kein Fernseher.
Als freiberuflicher forensischer Entomologie, von wem wirst du beauftragt?
Wen es interessiert. Es können mich Angehörige anrufen, die Betroffenen selber, der Staatsanwalt, der Richter oder die Polizei. Das ist wie bei einem Kfz-Sachverständigen. Wir haben laufend mehrere Fälle zu bearbeiten. Es ist viel zu tun.
Und das sind ja ausnahmslos Kriminalfälle. Wie steht es mit den anderen Fällen, von denen du berichtet hast?
Ja, die nehmen wir auch auf. Das sind dann eher Anfragen, Presseanfragen. Da war was mit Geisterjägern in der Art, sie fragen mich dann: „Sag mal, verarschen uns die Leute jetzt? Es gibt doch keine Geister!“ und sie wollen wissen, wie man das prüft. Da kommt es dann darauf an, was diese Quelle behauptet genau gesehen zu haben. Hat die Person einen Schatten gesehen, eine Windböe, was hat sie gehört? So etwas nehmen wir auch als Fall auf, aber nur wenn es eine konkrete Fragestellung dazu gibt. Wenn die Leute fragen: „Gibt es Geister?“, dann kann ich nichts dazu sagen. Wir können nur konkrete Ereignisse prüfen, bei denen es etwas zu messen und anzusehen gibt.
Die Aufklärung des Falls der Adele, den du in deinem Vortrag als Fall der Selbstverbrennung gebracht hast, dauerte über Jahre. War Frau Adele dann zufrieden mit deiner Antwort?
Ich weiß gar nicht, ob sie über den letzten Stand der Dinge informiert worden ist, weil nicht sie, sondern National Geographic der Auftraggeber war. Wie weit sie von National Geographic informiert wurde, weiß ich nicht. Sie hat es aber hoffentlich im Fernsehen gesehen, das lief ja zigmal rauf und runter...
Glauben tatsächlich Menschen, dass sie von sich aus brennen können?
Ja, das glauben sehr viele Leute. Wenn du dir die Bücher anschaust, die gelesen werden, siehst du, dass viele Leute daran glauben. Es fängt mit Yoga als Energiequelle an und autogenem Training. Das geht dann stufenlos weiter über psychische Energien und Auren sowie mit dem Glauben, dass man mit gewissen Teilchen - noch nicht entdeckten Pyrotronen - was sprengen kann. Diese Energievorstellungen sind sehr weit verbreitet. Der Großteil der Menschheit glaubt an irgendwelche Energieströme. Dass man dabei selbst entflammt, ist nur eine Variante. Z.B. wie definierst du, dass beim autogenen Training deine rechte Hand warm wird? Die meisten Leute würden sagen, dass das durch Energieflüsse passiert. Dass die Blutgefäße arbeiten, würden ja nach Denkrichtung nur sehr wenige antworten.
Emotionale Reaktionen …
Genau. Aber der Sammelbegriff "Energie" stimmt ja immer.
Ich danke für das Gespräch und informiere noch unsere Leser und Leserinnen, dass Mark Benecke Autor von über 10 Büchern ist, die auch großteils ins Englische übersetzt wurden. Das letzte „Warum man Spaghetti nicht durch zwei teilen kann“ erschien beim Verlag Luebbe, 2009, in dem er wieder vom Spaß-Nobelpreis/ Ig Nobel Prizes berichtet. Die Rezension befindet sich im Rezensionsteil dieses etcetera.
Mark Benecke:
Geboren 1970 in Rosenheim/Bayern. Studium der Biologie, Zoologie und Psychologie an der Uni Köln. Polizeitechnische Ausbildungen im Bereich der Rechtsmedizin in den USA, darunter FBI-Academy. Unterrichtet an Polizeischulen und ist Gastdozent in den USA, Vietnam, Kolumbien und auf den Philippinen.
Publikation vieler populärwissenschaftlicher Bücher. Gastherausgeber der Forensic Science International und Mitglied der GWUP. Veröffentlichungen in deren Zeitschrift „Skeptiker“. Seit 1999 jeden Samstag Beiträge auf Radio Eins (Deutschland). 1989-2000 Schlager-Punk-Band „Die blonden Burschen“. Bekannt auch wegen seiner rechtsmedizinischen Beratung als Kriminalbiologe bei Sendungen wie „Niedrig und Kuhnt – Komissare ermitteln“, „Galileo Mistery“, „Medical Detectives“ und „Autopsie“. www.benecke.com