Krista Federspiel: Kritisches Denken ... Ingrid Reichel
Krista Federspiel
KRITISCHES DENKEN, EIN STÜCK WEG VOM ABERGLAUBEN
Aktiv gegen „Alternativmedizin“, Esoterik und andere Unsinnigkeiten
Auf dem Treffen der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) 2009 in Hamburg lernte Ingrid Reichel die renommierte Medizinjournalistin
Du hast einen interessanten Beruf, du bist Medizinjournalistin. Wie kam es dazu?
Neugierde ist meine Obsession, deshalb war mein Berufsziel Journalismus. Ich habe allmählich angefangen mich einzuarbeiten. Bin dann bei einer Wochenzeitschrift gelandet und habe hauptsächlich Magazinarbeiten gemacht. Weil man länger daran sitzen bleiben konnte, ich eine große Familie habe und beides unter einen Hut bringen musste. Meine Spezialthemen waren Recht, Jugend, soziale Fragen, Feminismus und Arbeitspolitik. Das sind im Groben die „Gemüsebeete“, die ich beackert habe, dazu gehören auch Gesundheit und Medizin. Und dann bin ich eingeladen worden von jener bekannten Journalistengruppe, die das Buch „Bittere Pillen“ herausgegeben hat, welches sich kritisch mit Medikamenten befasst. Das Autorenkollektiv wollte mich in seinen Reihen haben, und ich habe zugesagt. Im Laufe der Zusammenarbeit spezialisierte ich mich auf medizinische Themen und habe – ergänzend zu den „Bittere Pillen“ – für den Verlag Kiepenheuer & Witsch an medizinischen Ratgebern und dem Klassiker „Kursbuch Gesundheit“ mitgearbeitet. Wir haben immer mit Experten zusammengearbeitet und Recherchen in der wissenschaftlichen Literatur durchgeführt, um auf dem neusten Stand des Wissens zu sein. So entstanden Patientenratgeber zu einzelnen weit verbreiteten Krankheiten, wie Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Rückenschmerzen, Augen- und Zahnmedizin usw. Anspruch und Ziel waren dabei immer das Medizinerwissen in eine einfache, lesbare Sprache zu übersetzen - Ratgeber für ganz normale Leser eben.
Entstand in diesem Rahmen auch das damals als Skandal geltende Buch „Die andere Medizin“?
Ja, das ist in diesem Kreis entstanden. Die Stiftung Warentest plante eine Buchreihe zu Gesundheitsthemen, griff meinen Vorschlag, Naturheilverfahren zu analysieren, auf und gab mir den Auftrag, den ich gemeinsam mit Kollegin Vera Herbst in kurzer Zeit durchgeführt habe. Auffallend war, wie viele seltsame Therapiemethoden sich unter dem Etikett „Naturheilverfahren“ versammelten und wie wenig wissenschaftliche Dokumentation es hierzu gab.
Wir haben sehr viel Material zusammengetragen, um Analysen durchführen zu können und den eigenen Standpunkt zu festigen. Dies gelang mit Hilfe kritischer Forscher und Mediziner.
Die Reaktionen waren heftig, und der Verlag und wir wurden mit Klagedrohungen und Gerichtsverfahren zugedeckt: Anbieter, die keine Argumente haben, versuchen Kritiker auf diesem zeit- und kostenintensiven Weg mundtot zu machen. Je esoterischer die Methode, desto „klagfreudiger“ die Anbieter.
Das Buch ist fünf Mal überarbeitet erschienen: Auf dem alternativern Markt werden laufend neue Verfahren oder Kombinationen kreiert.
Beim alljährlichen GWUP-Treffen in Hamburg im Frühjahr 2009 konnte man wieder feststellen, dass Österreich eine Hochburg der Esoterik ist.
Meine persönliche Theorie dazu ist: Wir hatten 200 Jahre Absolutismus. In dieser Zeit hat man gelernt den Kopf zu neigen und andererseits zu Autoritäten aufzuschauen. Überdies haben wir hunderte Jahre lang den wundergläubigen Katholizismus und eine sehr konservative, katholische Erziehung gehabt. Kritisches Denken war - und ist – da nicht gefragt.
Autoritätsgläubigkeit und Kritiklosigkeit.
Ja, und beides zusammen führt dazu, dass es hierzulande wenig Zivilcourage und wenig Widerstandspotenzial gegen politische Fehlentwicklungen gibt. Wir schauen neidisch nach Frankreich, wo es eine Selbstverständlichkeit und Tradition ist, dass Menschen für die eigenen Interessen kämpfen und auch ihre politische Meinung auf der Straße äußern. Bei uns ist es immer noch verpönt zu demonstrieren. Die Macht der Straße, so etwas tut man doch nicht!
Wo Dreck liegt, darf man nicht hinzeigen. Wir wollen nichts bereinigen, sondern den Dreck lieber unter den Teppich kehren. Wer Dinge beim Namen nennt, wird als Nestbeschmutzer betitelt.
Aber bezüglich kritischem Denken: Wie bist du zur GWUP gekommen?
Bei der Recherche zur „anderen Medizin“ habe ich die GWUP entdeckt: Ich hatte kritische Mediziner gesucht, die sich mit der Alternativmedizin auseinandersetzen, und bin auf diesem Weg zur GWUP gestoßen. Da ist es mir klar geworden, dass das die Gruppierung ist, nach der ich gesucht habe. Kritisch, klug und demokratisch. So verschieden da die Meinungen auch sind, der Kommunikationsstil entspricht meinem Anspruch an einen höflichen und humorvollen Umgang miteinander. Es gibt Respekt, man hört einander zu, niemand versucht den anderen zu konkurrenzieren. Das Klima und die Inhalte haben mir gut gefallen. Ich habe erst dort gelernt, in wie viele Fachbereiche Esoterik eingezogen ist, wie viel Pseudowissenschaft es gibt, und wie interessant es sein kann, aus verschiedensten Wissensbereichen und Branchen Informationen zu bekommen.
Das Erstaunliche war, dass ich auf den deutschen GWUP-Treffen Österreicher getroffen habe, die ich sonst nicht kennen gelernt hätte.
Warum gibt es keine eigene Skeptiker-Bewegung in Österreich? Sind wir zu klein?
Möglich. Immerhin gibt es heute zwei Regionaltruppen der deutschen GWUP in Österreich, eine in Innsbruck und eine in Wien. Diese nennt sich seit Juli 2008 aus juristischen Gründen „Gesellschaft für kritisches Denken“ (GkD). Ich habe sie mit einigen Aktivisten im September 2002 „zur Welt“ gebracht: Meine Rolle war die der Hebamme. Ich bin ja keine Wissenschafterin, ich bin Journalistin. Aber ein Sprachrohr für wissenschaftliche Erkenntnisse. Diese publik zu machen, das war viele Jahre meine Berufstätigkeit. Es freut mich sehr, dass sich nun die nächste Generation, Wissenschaftler wie
Welche Ziele verfolgt die GWUP bzw. GkD?
Sie wirbt für die Verbreitung von wissenschaftlichem Denken. Sie tritt gegen Parawissenschaften wie die Astrologie, Homöopathie, Geomantie und anderen esoterischen Unsinn, sowohl auf akademischem Boden als auch im Alltag, auf. Sie kämpft für Konsumentenschutz, um Verführbare, wie etwa chronisch Kranke oder Eltern „schwieriger“ Kinder, vor Schaden durch alternativmedizinischen Nonsens und Scharlatanerie zu bewahren.
Was mich doch erschüttert, ist die Feststellung, dass der Staat Förderungen für esoterische Methoden vergibt, wie z.B. das „Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst“ an Herrn Grander, der nie wissenschaftlich gearbeitet, sondern bloß Wunderwasser vermarktet hat.
Naja, das hat alles einen Hintergrund. Die verleihende, zuständige Ministerin war ja selbst esoterisch orientiert. Das war ein Großteil der Minister damals. Der Finanzminister hat einen Bleikristall an einem Kettchen getragen. Die Bildungsministerin hat einen Halbedelstein gegen Computerstrahlen neben ihrem PC liegen gehabt. Da darf man sich nicht wundern, dass jemand wie Grander eine Auszeichnung bekommt, die er nicht verdient. Wissenschaftsminister Hahn hat die Auszeichnung – obwohl dies in den Statuten vorgesehen ist – nicht aberkannt und diese Nichtentscheidung sehr fadenscheinig begründet.
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Inwieweit kann die GkD Einfluss nehmen?
Wir haben einige öffentliche Auftritte in verschiedenen Medien absolviert, vier Jahre lang im Rahmen der Reihe „University meets public“ Vorträge in Volkshochschulen gehalten. Da wurde ein breites Spektrum an aktuellen Themen angesprochen, wie z.B. „Schaden Handystrahlen wirklich?“ Das öffentliche Echo war anfangs gering, doch der Einsatz des Pressesprechers der TU
Du beschäftigst dich eingehend mit der Alternativmedizin. In welcher Beziehung steht sie zur Komplementärmedizin?
Das ist eine semantische Mediencampagne. Es hat vor 20 Jahren noch Alternativmedizin geheißen, damals behaupteten die Anbieter - und waren teilweise davon überzeugt -, eine Alternative zur Allgemeinmedizin anzubieten. Ein gutes Beispiel ist die anthroposophische Krebstherapie, die „Spritze der Zuversicht“ mit Mistelpräparaten. Sie sollten ursprünglich „den Krebs“ heilen und Patienten die Leiden der Chemotherapie ersparen. Seit 80 Jahren werden sie angewendet, doch es gibt bis heute keinen seriösen Nachweis dafür, dass sie, wie behauptet, wirksam sind. Wenn eine Untersuchung nach den heutigen Standards durchgeführt wird, kommt unterm Strich nix heraus. Schließlich zogen sich die Anthroposophen darauf zurück, dass die Spritzen Nebenwirkungen lindern und die Lebensqualität erhöhen könnten. Aber auch das stimmt nicht. Allerdings ist die Hoffnung geschickt vermarktet worden. Und weil man den Wirksamkeitsbeweis nicht erbringen kann, bezeichnet man sein Angebot heute als „Komplementärmedizin“, die die gängige ärztliche Behandlung ergänzen kann. Neuerdings kämpft man raffiniert mit neuen Worten um Anerkennung und Geschäftsanteile, man und spricht viel von „integrativer Medizin“ auf „gleicher Augenhöhe“.
Was nachweislich wirkt, ist jedoch längst in den medizinischen Kanon aufgenommen worden.
Wie konnte sich Alternativmedizin dermaßen verbreiten?
Worüber wir noch nicht gesprochen haben, ist das Lobbying der Alternativen Medizin. Ich habe bereits die Schlagwörter erwähnt: sanft, biologisch, altbewährt, ganzheitlich … Aber welche Macht die Medien in diesem Bereich haben, ist den meisten nicht bewusst. Als Journalistin weiß ich, jeder, der den Chronikteil der Zeitung zu füllen hat, braucht Themen – du hast nur EINE Stunde Zeit die Seite zu füllen. Die Alternativen haben es immer gut verstanden, diesen Bedarf zu befriedigen: Sie schicken dir einen Text in die Redaktion und du bist froh und druckst das Material ab. Auf diese Weise kommt Werbelyrik auf die Lifestyle- und Gesundheits-Seiten. Früher hat man noch „Anzeige“ dazu geschrieben. Heute wird dieser Hinweis immer kleiner gedruckt oder ganz weggelassen. Die Leser haben den Eindruck, das sei ein redaktioneller Bericht und glauben wortwörtlich, was dort steht. Die Printmedien brechen derzeit ein, Journalisten geraten immer mehr unter Druck oder werden entlassen und zu Ich-AGs umfunktioniert. Ihre Einkünfte fallen; die brauchen sie aber, um leben zu können. Heute funktioniert das so: Der Journalist sagt: „Ich möchte gerne über diesen Ärztekongress berichten.“, der Herausgeber sagt: „Na gut, bringen Sie mir zwei Werbekunden, dann können Sie den Beitrag unterbringen.“ Das bedeutet, dass Gesundheits- und Medizinseiten unglaubwürdig geworden sind. Ein normaler Leser, der keine Ahnung von Medizin hat, kann den redaktionellen Teil von einer Werbung nicht mehr unterscheiden. Ich kann dir jeden Tag Seiten von Zeitungen zeigen, mit denen die Kunden aufs Eis geführt werden. Man kann den Leuten nur mehr raten: Lesen sie keine Gesundheitsseiten.
Auch die Unterhaltung hat eine große Bedeutung. In TV und Radio werden seriös recherchierte Beiträge von Nonsens flankiert, bunt gemischt treten Prominente oder Geistheiler auf, die das Blaue vom Himmel versprechen. Name-dropping hält das Gebräu am Köcheln.
Wie steht es eigentlich mit dem Internet? Menschen ergoogeln sich ihre Diagnosen und suchen Rat in Chatrooms?
Die Leute zappen sich durch das Internet und finden zu ihrer Diagnose oder ihrem Thema irgendwas. Sie kümmern sich nicht um die Quellenangaben der Behauptungen und deren Qualität. Es gibt nichts Schlimmeres als Chatrooms für medizinische Fragen. Was sich Menschen da ausdenken, sich gegenseitig an Medikamenten empfehlen, ist katastrophal. Auch diese Plattformen werden von Geschäftemachern für Fehlinformation genutzt. Sicherheit im Internet bieten nur Seiten, die ein Etikett tragen, wie etwa das HON-Logo, das sie als unabhängig und von hoher Qualität ausweisen.
Es ist etwas anderes, wenn ein Patient zu einem Arzt geht und eine Theorie zu seinem Leiden erzählt. Da sollte der Arzt gut zuhören. Denn dahinter steckt immer eine Lebensgeschichte, eine Einstellung. Das kann er für ein Gespräch mit dem Patienten nutzen und ihm damit helfen, auch wenn es noch so bizarr oder absurd erscheint. Da gibt es zum Beispiel immer noch die religiöse Auffassung: Krankheit ist Strafe für Schuld. Insbesondere bei Brustkrebs taucht das wahnsinnig oft auf. „Mein Verhalten war schuldhaft, deswegen habe ich jetzt diese Krankheit.“ Wenn zu einer Krankheit Schuldgefühle hinzukommen, dann ist das schlimm. Damit kann ein Arzt arbeiten und kann den Patienten entlasten. In der Alternativmedizin aber läuft es umgekehrt. Hier wird vom Kranken eine positive Einstellung und unbedingter Glauben an die Therapie eingefordert, damit soll es ihm besser gehen. Dann hofft der Patient ein paar Wochen lang, es gibt ein paar kurzfristige Placebo-Effekte, doch letztendlich funktioniert es nicht. Der Kritikpunkt ist, dass bei den vielen vorgeblich „alternativen“ Angeboten eben nur der Placeboeffekt wirkt. Bei einer ernsthaften Krankheit hält das Placebo nicht an.
Dann heißt es unter Umständen: „Naja, du hast nicht wirklich daran geglaubt. Wie soll das dann gehen?“ Dreht es sich um eine chronische Krankheit oder ein Leiden, das schließlich zum Tode führt, wird dem Hilfe suchenden Patienten buchstäblich die Tür vor der Nase zugeschlagen – er wird im Stich gelassen. Das kommt leider häufig vor, und ich habe es bei einigen Patienten konkret erlebt.
Wie steht es mit dem Buchmarkt?
Es gibt unzählige Bücher über Heilkräuter und Ratgeber zu Heilmethoden… Vor vier – fünf Jahren ist dieser esoterische Heilbuchmarkt jedoch eingebrochen. Irgendwann war das ausgereizt.
Doch manche Verfahren, wie die Homöopathie, die Bach-Blütentherapie oder die Schüßlersalze haben sich inzwischen so gut etablieren können, dass sie allgemein anerkannt – wenn auch nicht wissenschaftlich belegt - sind. Das kommt daher, dass sie – anders als die gängige Medizin – Unmögliches versprechen: Nebenwirkungsfreiheit, Ganzheitlichkeit und Harmonie. Das setzt sich natürlich durch und passt zum Zeitgeist: Alles ist machbar, man muss es sich nur wünschen
Viele Ärzte bieten auch Homöopathie an.
Das ist einfach zu erklären, vor allem was den deutschen Raum anbelangt. Dort ist nämlich für Ärzte der finanzielle Kuchen schon knapp. Sie versuchen zusätzlich etwas anzubieten, das die Leute privat bezahlen müssen. Seit man seine Krankenversicherung wählen kann, stehen auch die Versicherungen in Konkurrenz zueinander und locken mit speziellen Angeboten aus der unkonventionellen Medizin. Und da gibt es einiges. Auch bei uns liefern Ärzte und Laien dem leichtgläubigen Publikum, was es wünscht. Aus einer großen „alternativen“ Palette kann es wählen und bezahlen, was ihm zusagt – man gönnt sich ja sonst nichts.
Ist das moralisch vertretbar?
Es ist die Frage, ob der Arzt bewusst betrügt oder ob er sagt: „Da gibt es etwas, da lasse ich mich ausbilden, das biete ich dann auch an.“ So wie wir, wenn wir uns weiterbilden und eine Chance für unsere Karriere sehen. Das ist nicht verwerflich. Ich möchte das nicht moralisch sehen.
Ich möchte es im gesellschaftlichen Zusammenhang sehen. In Deutschland haben viel zu viele Ärzte eine Praxis bekommen. Im Osten haben sie zu wenig Klientel, weil die Leute alle alt werden und sterben und die jungen Arbeitnehmer Richtung Westen abgewandert sind. Bei uns ist es noch nicht so deutlich. Wir haben die Gesundheitsreform noch immer vor uns. Das kann auch bedeuten, dass die Ärzte nicht mehr so viel über die Krankenkassen einnehmen werden. Deutschland hat konsequent Therapien, die überholt waren, gestrichen. Behandlungsmethoden, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen werden konnte, sollen sich die Leute nun selber bezahlen. In Österreich hat nur die oberösterreichische Gebietskrankenkasse die Konsequenzen gezogen und ihren Vertragsärzten untersagt, alternativen Junk anzubieten - 20 Alternativverfahren, die nachweislich nicht wirksam sind. Die Bioresonanztherapeuten haben dagegen geklagt. Wie es schließlich ausgegangen ist, weiß ich leider nicht.
Ich selbst hatte von 2005 bis vor kurzem ein Verfahren durchzustehen, das Bioresonanztherapeuten gegen meinen Text angestrengt hatten. Das ist so lange gelaufen, weil hinter der Methode Scientology steckt. Es gibt übrigens einige Verfahren, die von Sekten betrieben werden.
Scientology und Medizin mit Gehirnwäsche?
Scientology tritt vehement gegen die Psychiatrie auf und veranstaltet Kurse dagegen. Sie haben eine eigene Heilungsmethode. Sie stecken ihre Mitglieder Stunden lang in die Sauna - zur „Entgiftung“. Mit einem E-Meter [1] betreiben sie „Auditing“, gezielte Befragung, eigentlich eine „psychologische Ausbeute“, um die Menschen zu verunsichern. Da werden Elektroden in die Hand gelegt und wer unsicher ist, fängt an zu schwitzen, was den Zeiger des Geräts beeinflusst. Mit Anweisungen und Fragen kann der Auditor-Scientologe jemandem auf diese Weise leicht einreden, die angebotenen Kurse zu besuchen, um ihn damit in Abhängigkeit zu bringen. Die Geräte für Bioresonanztherapie (BRT) oder das EAV-Verfahren (Elektroakupunktur nach Voll) sind Weiterentwicklungen des E-Meters. [2]
Der Erfinder der BRT [3] war Leiter der Frankfurter-Scientology-Gruppe, auch einige Gerätehersteller und etliche Anwender sind Scientologen. Viele Ärzte und Psychologen, die das Gerät gekauft haben, wissen aber nicht, dass sie damit Scientology unterstützt haben.
Wollte man in Deutschland Scientology nicht verbieten?
In Deutschland ist ja eine viel heftigere Diskussion gegen die Scientologen im Gange. Bei uns läuft alles irgendwie schaumgebremst. Es ist ihnen sehr schwer nachzuweisen, dass sie die Demokratie abschaffen und die Macht übernehmen wollen. Das schaffen sie zwar nicht, es sitzen aber sehr viele Scientologen auf einflussreichen Posten.
Es klingt ziemlich gefährlich und futuristisch.
Der Gründer L. Ron Hubbard war ja Science-Fiction Autor. Wenn man die Bücher über Dianetics [4] liest, alleine von der Sprache kann man es nicht übersehen. Man kann nur den Kopf schütteln. Es ist eine ganz seltsame Ausdrucksweise. An der Sprache der Bioresonanz kann man die Ausdrucksweise der Dianetics wieder erkennen.
À propos Sprache. Du bist auch Mitautorin politischer Bücher.
Ja, gemeinsam mit Kollegen Hans Weiss habe ich zum Beispiel 1988 einen „Skandal-Who-is-Who“ Österreichs erstellt, das Buch „Wer?“ hat Historiker und Journalisten inspiriert. Auch das Buch „Arbeit, 50 deutsche Karrieren“, das 1990, nach dem Mauerfall erschienen ist, war mir wichtig Und vor allem mein erstes Buch, welches ich mit sieben weiteren Autorinnen geschrieben und herausgegeben habe: Es ist 1985 - 40 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs - erschienen. Wir haben Tiefeninterviews mit Frauen gemacht, haben sie gefragt, wie sie ihren Alltag mit viel Entbehrung bewältigt haben, denn wir wollten zeigen, welche Leistungen Frauen in dieser Zeit vollbracht hatten. Außer von den „Trümmerfrauen“ wurde bis dahin ja nur selten in der Öffentlichkeit von Frauenpower berichtet.
Es scheint, dass die Frauenpolitik mit der Bildungspolitik unausweichlich verknüpft ist. Wir haben paradoxe Verhältnisse. Obwohl wir eine Familienministerin und Bildungsministerinnen hatten und sogar zwei Justizministerinnen en suite haben, änderte sich für die Frauen sehr wenig.
Das stimmt so nicht – die 75er-Jahre haben wesentliche Rechte für Frauen gebracht. Doch viele Reformen sind stecken geblieben. Als Journalistin bin ich zum Beispiel für Schulreformen eingetreten. Deshalb entsetzt es mich, wenn heute die gleichen Ideen und Programme diskutiert werden, wie damals, und dass sich in den letzten 40 Jahren nichts geändert hat. Früher war verfassungsmäßig eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Schulgesetze notwendig. Damals sind Neuerungen immer an der konservativen Großpartei gescheitert. Deswegen hat es bei uns im sozialdemokratischen Wien so viele verschiedene Schulversuche gegeben. Die erfolgreichen durften aber nicht flächendeckend als Standard eingeführt werden. Zu einer Reform gehört viel Engagement und Idealismus. Wenn sich das jedoch 10 Jahre und länger hinzieht, dann geben auch engagierte Menschen auf. Wir scheitern immer wieder an diesem bürokratischen System. Die Schule ist dermaßen bürokratisiert, und das wird von Jahr zu Jahr ärger. So ist heute zwar die Elternschaft überwiegend für eine gemeinsame Ganztagsschule, aber es darf davon nicht so viele geben wie gewünscht. Was sich bei uns abspielt ist anachronistisch.
Wir sprechen viele Sprachen.
Ja, und aneinander vorbei. Es ist uns nicht so bewusst, dass wir in verschiedenen Gesellschaftsschichten leben. Das ist übrigens etwas, das mich zu meinem Beruf hingezogen hat. Ich bin neugierig. Das ist der Motor meiner Motivation. In keinem anderen Beruf hat man die Chance, in so viele verschiedene gesellschaftliche Winkel und hinter die Kulissen zu schauen. Wenn einem das Ernst ist, ist das ein ganz, ganz spannender Beruf.
[1] E-Meter: Gerät, ähnlich einem Lügendetektor. Das Elektropsychometer oder Elektrometer ist ein in der Scientology-Organisation verwendetes Gerät, mit einer Wheatstoneschen Messbrücke. Es wird beim so genannten Auditing genutzt. Das Gerät war auch offiziell bekannt als das "Hubbard Elektroskop" (Hubbard Electrometer). Hergestellt wird das Gerät von der Scientology-Kirche in ihrer "Golden Era" Produktionsstätte. Wissenschaftliche Nachweise zu seiner Aussagekraft fehlen. Der Endbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags bezeichnete das Gerät als wissenschaftlich wertlos. In einem Urteil des United States District Court, District of Columbia, wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das E-Meter keinen nachgewiesenen Nutzen in der Diagnose, Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit hat, und dass es aus medizinischer oder wissenschaftlicher Sicht nicht zur Verbesserung von körperlichen Funktionen beiträgt. Weiterhin werden überhöhte Preise für das E-Meter kritisiert. (Quelle: Wikipedia)
[2] Bioresonanzverfahren: Abgeleitet von Radionik. Der Gründer von Scientology entwickelte das erste Radionik-Gerät.
[3] BRT: Bioresonanztherapie, auch bekannt unter Mora-Therapie, wurde 1977 von dem dt. Arzt Franz Morell vorgestellt, der das Gerät gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Erich Rasche entwickelt hatte.
[4] Dianetic(s): Scientology Bestseller, Scientology Methoden und deren Befürworter.
Aktivitäten der GkD:
Durchführung von Tests mit Personen, die bei sich paranormale Fähigkeiten vermuten, wie z. B. Geistheilertest 2005, Homöopathischer "Knock-out-Test" 2006
Tests von parawissenschaftlich beworbenen Apparaten
Kritik an Parawissenschaften auf akademischem Boden, an „Nonsens-Studien" oder an Forschungsgeldern für Außenseitermedizin
Öffentliche Kritik an Institutionen, die mit Steuergeld esoterische Inhalte verbreiten, z.B. Kurse des AMS, WIFI oder bfi
Vorträge und Beteiligung an öffentlichen Diskussionen zu esoterischen Themen
Seit 2007 Blog zu Parawissenschaften, beim Dachverband: www.scienceblogs.de/kritisch-gedacht
Krista Federspiel:
Geboren 1941 in Niederösterreich. Promovierte Medizinjournalistin und Autorin. Studierte 1959-1966 Germanistik, Psychologie, Volkskunde und Theaterwissenschaft in Wien. War freie Journalistin und Redakteurin in mehreren österr. und dt. Zeitschriften und Zeitungen. Bekannt auch als Radio- und Fernsehmoderatorin. Schwerpunkte: Sozial- und Frauenpolitik, Konsumentenschutz, Medizin und Psychotherapie. Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Regelmäßige Veröffentlichungen in deren Zeitschrift Der Skeptiker. Aktives und Gründungs-Mitglied der Gesellschaft für kritisches Denken, der Wiener Regionalgruppe der GWUP. Kritikerin alternativer medizinischer Verfahren. Viele Publikationen u.a. als Mitautorin beim Verlag Kiepenheuer & Witsch „Kursbuch Gesundheit“ und „Kursbuch Seele“; "Die andere Medizin". Stiftung Warentest .1991/ 5.Aufl. 2005. Zuletzt: "Pflege daheim". Verein für Konsumenteninformation, noch unveröffentlicht.