46/ arbeits-los/ Portrait: Delphine Blumenfeld. Reinhard Müller

 
Foto: © dermaurer  

Reinhard Müller
Delphine Blumenfeld

Prosaisches: Leben

Delphine Blumenfeld, 1961 in Klagenfurt / Celovec geboren, besuchte dort seit 1968 die Volksschule, anschließend die Hauptschule und bis 1979 das Gymnasium. Seit 1988 arbeitete sie bei einem Projekt im Frauenzentrum „Belladonna“ und war Mitherausgeberin der gleichnamigen „Zeitschrift des Frauenkommunikationszentrums Klagenfurt“.

1990 wirkte sie im Rahmen des Vereins „VIBS“ (Verein für Innovation, Beratung und Supervision) an der Erstellung eines psychosozialen Atlasses für Kärnten und Osttirol mit.

1998/99 und erneut 2000 war Blumenfeld als Tierpflegerin und Fremdenführerin am Affenberg Landskron in Villach / Beljak tätig, einem Freigehege für Japanmakaken (Schneeaffen), dazwischen 1999 als Redakteurin, Moderatorin, Sendungsmacherin und Radiojournalistin bei „freies radio AGORA / svobodni radio AGORA“, Klagenfurt.

2000 war sie Behindertenfachbetreuerin in der Marienanstalt Maria Saal / Gospa Sveta für schwerst- und mehrfachbehinderte Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie 2001 Betreuerin bei der HELP-Sozialpädagogik im Therapiezentrum Saualpe in St. Oswald / Št. Ožbolt (zu Ebenstein / Svinec) für alkoholund mehrfachabhängige Klienten. Delphine Blumenfeld, die 2011 die Prüfung als Falknerin ablegte, lebt heute in Klagenfurt.

Poetisches: Schaffen

Schon mit ihren ersten Büchern erregte Delphine Blumenfeld bemerkenswerte Aufmerksamkeit: Der Clown mit dem Spiegel (1987), Seesterngedichte (1996), Schneeläufer / Puščavske rože (2000). Kein geringerer als H. C. Artmann bezeichnete damals Blumenfelds Lyrik als „Weltliteratur“, und Bertram Karl Steiner meinte: „So souverän ist noch kein Kärntner Autor mit dem Kärntner Dialekt umgegangen und keiner hat diese Sprache so ernst und beim Wort genommen.“ Und Helmuth Schönauer fand, ihre „Gedichte gehen unter die Haut, weil sie wie ein wohltuendes Gel zuerst Zustimmung auslösen und erst nach einer genau bemessenen Zündzeit die wahre Botschaft aufsprengen: In den Adern fließt zuweilen eiskaltes Winterblut!“

Delphine Blumenfeld wandert biografisch wie poetisch am Rande der Gesellschaft, also im Zentrum menschlichen Seins. In ihren Worten wie Bildern über geschundene Kreatur und Natur stellt sie dem in der Gegenwartsliteratur beliebten jämmerlich Jammernden und aufgesetzt Tiefgründigen ihre sperrige Ironie und ihren grotesk-komischen Lebensmut gegenüber. Mit „angstwandern“ wendet sich Delphine Blumenfeld erneut jenem Themenkreis zu, der in der deutschsprachigen Literatur so wenig Niederschlag findet, und wenn, dann über Plakatives und Mitleidsarroganz kaum hinauskommt. Diese „noch ein paar arbeitslosenlieder“ sind Fort-, Weiter und Über-Setzung einiger Texte ihres letzterschienenen Buchs, dessen Titel Blumenfeldsche Pro-Grammatik ist: Arbeitslos. Heimatlos. Alles los (2008). „Nein, das ist nicht schon wieder eines jener um pädagogische Betroffenheit bemühten ‚gesellschaftskritischen‘ Bücher, wie es der Titel … suggerieren könnte. In einem solchen könnte die tiefe Depression einer Langzeitarbeitslosen, einer wirklich armen Frau über ihr ‚hiniges Leben‘ nicht in derart koboldhafte Sätze wie diese umschlagen: ‚Wenn ich kein Geld habe, hole ich Kerzen vom Friedhof. Ich steige nachts über die Mauer und pflücke die noch nicht abgebrannten Kerzen von den Gräbern. Dabei bitte ich die Toten, mir zu verzeihen. In der Regel tun sie es…‘ Delphine Blumenfeld, pardon, ist, auch wenn sie es nicht und nicht zugeben will, eine Poetin von Rang – was ihr übrigens … H. C. Artmann auf den Kopf zusagte, nachdem er ihre zum Heulen traurig-komischen Gedichte gelesen hatte.“ (Bertram Karl Steiner 2008.)

LitGes, etcetera 46/November 2011/arbeits-los