Nostalgia - W. A. Mozart: Joachim Schloemer. Rez.: Eva Riebler
Eva Riebler
Universalpoesie
Nostalgia - Konzertante Inszenierung mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart
Joachim Schloemer
Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
02. Juni 2012, 19.30 Uhr
Uraufführung
Inszenierung: Joachim Schloemer
Musikalische Leitung Lutz Rademacher
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Philharmonia Chor Wien (Walter Zeh Leitung)
SolistInnen:
Anna Radziejewska (Mezzosopran)
Boglárka Börcsök, Máté Mészáros (Tanz)
Sabine Haupt (Sprecherin)
Maurizio Grandinetti (E-Gitarre) u. a.
Konzertantes Inszenieren heißt wählen und beschränken. Wählen zwischen mehr oder weniger Hervorhebung der Musik oder der choreografischen Umsetzung des Inhaltes. Die Wahl fällt schwer, handelt es sich doch um Arien, Orchester- und Chorkompositionen W. A. Mozarts, um Kompositionsfragmente, kurze Instrumental-Stücke bis hin zum krönenden Abschluss: der Originalfassung des Requiems. Noch dazu spielen das Tonkünstler-Orchester Niederösterreichs unter der Leitung von Lutz Rademacher, singen der Philharmonia Chor Wiens und der Leitung Walter Zehs, die Solistin Boglárka Börcsök und als bravouröses Verbindungsglied zwischen Klassik und Moderner an der E-Gitarre Maurizio Grandinetti. Die Choreografie hat Schloemer optisch im Vordergrund placiert, jedoch nicht permanent. Er durchwirkt vor allem in der zweiten Hälfte die Sänger und die Tänzer und setzt ein wohltuendes Aufbrechen der sonst so starren Grenze zwischen Chor und Handlung. Auch Maurizio Grandinetti transportiert mit seiner E-Musik Aufbruch. Er komponiert die Überleitungen weiter und führt sie wieder zurück zur ursprünglichen musikalischen Form und versetzt aus einer klanglichen Dimension in eine handlungsorientierte Dimension. Auch die szenische Aufbereitung wird sinngebend erweitert, indem die Protagonistin, eine todtraurige Frau, durch drei Personen dargestellt wird. Sie wartet in ihrem Haus am Meer vergeblich auf die Rückkehr ihres Geliebten und spinnt sich immer mehr in vergangenen Alltagserinnerungen ein. Sie blickt zurück und vor, sie sieht sich selbst als alte Frau im Raum sitzen. Dieses Bild mit dem dazugehörigen Text hat Joachim Schloemer dazugefügt, inspiriert von Jon Fosses Roman „Das ist Alise“. Es ist eine Frau, die nicht loslassen kann und keine Übertölpelung ihrer Einsamkeit und Sehnsucht sucht. Sie ist einsam in der Stunde ihres Todes, so wie es ihr Geliebter im Segelboot am Meer war. Die Choreografie wird hervorragend von Máté Mészáros und Boglárka Börcsök, beide aus Ungarn, getanzt und Sabine Haupt stellt als Schauspielerin das zweite Ich der Frau dar. Als unter die Haut gehender passender Schluss, als Sinnbild des Unfertigen, dient das Fragment des Requiems von Mozart in d-Moll.
Nicht nur hochkarätige Musik und Gesang sondern durch die optimale Perspektivenwahl und Ausdrucksform der Tänzer wird das Sujet des Verlassenseins und nicht Loslassen-Könnens, des inneren und äußerlichen Sterbens genau in den Blick gerückt.
Die Uraufführung Nostalgia war eine gelungene Universalpoesie, ein großartiger Schlusspunkt des Festspielhauses für die Saison 2011/2012.