58/Niemand/Interview: Markus Reiter

Markus Reiter
Künstlerportrait

Eva Riebler-Übleis war Ende Oktober zu Gast im Atelier Marcus Reiters in Klosterneuburg.

Foto: Eva Riebler-Übleis
Fotos: Eva Riebler-Übleis

Lieber Markus, warum glaubst Du, dass ich Deine Arbeiten passend zum Thema NIEMAND sehe?
In meinen Arbeiten sind die Figuren ausgespart. Die Figuren sind stellvertretend für jemanden oder etwas, die über das Persönliche hinausgehen, ohne dabei trotzdem den Bereich des Individuellen zu verlassen. Einerseits geht es um den Menschen an sich, andererseits um das individuelle Betrachten. Der Betrachter, der vor dem Werk steht, darf sich selber einbringen.

Ist das nicht die übliche Ausrede?
Ich verknüpfe die griechische mit der asiatischen Philosophie und das „Erkenne dich selbst“ mit dem Spruch von Buddha „Liebe dich selbst und beobachte heute, morgen, immer“.

Wer ist für Dich ein NIEMAND?
Niemand!

Findest Du Dich in Deinen Figuren wieder?
Ja natürlich, auf jeden Fall, aber ich versuche meine eigenen Themen auf eine allgemeinere, bzw. andere Ebene zu heben.

Wie kommst Du zu Ausdruck und Dichte?
Beim Arbeiten setzen sich vage Ideen durch, die mit der Zeit klarer und dichter werden. Sowohl in der Vorstellung wie auch auf der Leinwand. Das kann über Tage oder Wochen gehen oder innerhalb Minuten passieren.

Entwirfst du Deine Themen zeichnerisch oder gehst Du spontan von der leeren Bildfläche aus?
Meistens halte ich Ideen schriftlich fest und bringe sie gleich mit dem Pinsel auf die leere Leinwand. Ich lasse Zufälligkeiten und Spontanität ganz bewusst zu, bedingt durch die Malweise.

Die Figuren werden ausgespart.
Ja, eine Korrektur ist schwer möglich.

In Deinen Bildern schwebt eine gewisse Traurigkeit. Wird sie im Laufe der Jahre mehr oder nimmt sie ab?
Ich bearbeite Themen wie Tod, Krankheit, Sterblichkeit, versuche aber trotzdem dabei dem Betrachter ein möglichst positives Gefühl zu vermitteln. Wenn er sich auf das Bild einlässt, soll er auch gut wieder aussteigen. Das ist mir sehr wichtig!

Hast Du fröhliche Bildinhalte?
Ja, zeitweise habe ich viele Gärten und Landschaften gemalt, das ist der Ausgleich zu mitunter heftigen Themen. Momentan liegt mein Schwerpunkt auf philosophischen Arbeiten im Allgemeinen, auch ausgehend vom Höhlengleichnis, transportiert in die Jetztzeit.

Wie wichtig sind Dir Deine lateinischen Worte, die Du in die Figuren oder am Rande der Bilder schreibst? Soll man sie entziffern können oder sind sie grafisches Element?
Sie sind eine Ergänzung, um das Bild besser zu verstehen, andererseits sind sie auch ein grafisches Element.

Kritisierst Du etwas oder jemanden?
Nein, im Gegenteil, ich versuche positiv zu „stimulieren“.

In welcher Maltradition stehst Du? In welcher willst Du stehen? Hat Dich dein Professor an der Akademie der Bildenden Künste, Prachensky, geprägt?
Ja auf jeden Fall. Und zwar insofern, dass jeder seinen Weg gehen und sich selber treu bleiben soll. Dann wird auch die Frage nach der Maltradition irrelevant, in der ich sicherlich in irgendeiner Weise stehe, die mir aber nicht wichtig ist, da ich meine Inspirationen auch aus alltäglichen Situationen hole.

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Hast Du den Blick von außen oder von innen?
Sowohl als auch.

Nach Georg Scherer stürzt sich der Mensch in die Tätigkeit, da ihm völlige Untätigkeit unerträglich sei. (Fällt er aus Zusammenhängen raus, so spürt er sein Nichts, seine Verlassenheit, sein Ungenügen, seine Abhängigkeit, seine Unmacht, seine Leere. Dann wird dem Grund seiner Seele die Langeweile entsteigen und die Düsternis, die Trauer, der Kummer, der Verdruss, die Verzweiflung.) Wie siehst Du dies bei Deiner Tätigkeit?
Für mich ist die Leere genau das Gegenteil von dem. Ein Beispiel ist das halb volle und das halb leere Glas. Wie ich meine, gibt es auch noch einen dritten Gesichtspunkt, nämlich dass es beides zugleich ist. Es gibt das Eine ohne das Andere nicht. Das Volle braucht das Leere. Der Jemand den Niemand.

Was ist Dir in den Werken anderer Maler wichtig? Wen favorisierst Du?
Ganz allgemein gesagt, „das gewisse Etwas“, der kleine „Kick“; der mich sinnlich oder auch vom Verstand her berührt, anregt.

Hast Du die Ausstellung Toulouse Lautrec oder Miró gesehen?
Nein! Wenn ich zwei Zeitgenossen nennen darf, so ist es Jürgen Messensee und Martha Jungwirth.

Was sind die Tragödien unserer Zeit?
Die allbekannten Themen, die vor 2000 Jahren auch schon da waren. Z.B. Neid, Missgunst, Gier und natürlich Tragödien wie Naturkatastrophen, Seuchen usw.

Du willst außerhalb des Mainstreams malen, als Maler wahrgenommen werden. Du willst kein NIEMAND in der Masse sein. Wirkst Du bewusst gegen die Masse oder geht das von alleine, von selbst?
Es freut mich wahrgenommen zu werden und dass vielen meine Arbeiten gefallen. Dabei ist mir aber nicht wichtig, ob ich ein Niemand oder ein Jemand bin. Entscheidend ist eher, ob mich meine Arbeit erfüllt oder entleert.

Die Authentizität spricht ja aus deinen Bildern! Ich danke für das Gespräch und hoffe diese Wahrhaftigkeit wird wahrgenommen.


Markus Reiter
Geb. 1971 in Wien.
1982 - 1990 Human. Gymnasium,
1992 Sommerak. Geras bei Prof. Bernhard Hollemann,
1993 - 1997 Studium der Malerei und Graphik an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Prof. Markus Prachensky,
1995 - 1997 freier Mitarbeiter am „Haus der Künstler“ in Maria Gugging,
1997 Diplom mit Auszeichnung, Silberner Fügerpreis, Würdigungspreis des BMI f. W u V.
1998 - 2000 Tätigkeit in der Bühnen- und Theatermalerei,
2003 - 2005 Workshops für Aquarell-, Acryl- und Ölmalerei.
Lebt und arbeitet freischaffend in Klosterneuburg bei Wien.

 

Austellungen: (Auswahl)
Art Frankfurt, Kunstmesse Wien, Galerie Lang Wien, Kunst Köln,
Galerie 60 Feldkirch, Art Bodensee, Viennafair, Art Karlsruhe,
Künstlerhaus Wien (Katalog), Galerie am Lieglweg Neulengbach,
Residenzgalerie Salzburg, Alexander Reznikov Collection, Kunst-Service Wien (Katalog),
Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung.
2013 :NACHT – Gruppenausstellung, Kunst-Service, Wien (Katalog)
13.Kunstauktion – NEUNERHAUS – MAK, Wien und Gruppenausstellung,
Kunstraum Wohlleb, Wien (Katalog)
2014 :NO PLACE LIKE HOME – Gruppenausstellung, Kunst-Service,
Wien (Katalog) 14.Kunstauktion – NEUNERHAUS – MAK,
Wien und Gruppenausstellung, Kunstraum Wohlleb, Wien (Katalog)