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Aktionsradius Wien / April 2011: KANON VON ÜBERMORGEN
Österreichische Literatur für die (Nach)Welt
Die in diesem Monat vorgestellten Schreibenden – ob sie wie Fritz, Lavant und Soyfer zu den nur noch in der Erinnerung Lebenden zählen oder wie Prelog zu den höchst Lebendigen– haben etwas gemeinsam: Sie haben die Unaufmerksamkeit, mit der ihnen der Literaturbetrieb gegenübertritt, nicht verdient. Doch ein Deutschunterricht des Jahres 2068 wird ohne deren Beiträge zur (Nach)Weltliteratur schwer vorstellbar sein. Es handelt sich um literarische Texte, die nicht aus dichten Folgen spannender Episoden bestehen, die für größere Reichweite und Marktgängigkeit sorgen, sondern um Literatur, die ihren Charme aus der Konfrontation von Ideen bezieht. Solche «Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit», meinte Karl Valentin. Falls er recht hat: Wir möchten dem verehrten Publikum die Arbeit etwas erleichtern.
+ + + D A S P R O G R A M M + + + D A S P R O G R A M M + + + D A S P R O G R A M M + + Dienstag, 5. April
MARIANNE FRITZ. Textlandschaften.
AUSSTELLUNG & PERFORMANCE
«Das Werk von Marianne Fritz (sie starb 2007 im Alter von 58 Jahren) scheint ohne Vorbild zu sein; es wirkt geradezu archaisch in seiner Genauigkeit und mit seinem langen Atem in einer von den Moden des Tages und den Selbstumkreisungen beherrschten Literatur» (Berliner Literaturkritik). Mit den erstmals ausgestellten «Textlandschaften» wird am Gaußplatz eine ihrer sehr ungewöhnlichen Schreibformen vorgestellt. Otto Dünser und Klaus Kastberger (angefragt) sprechen zu Person und Werk. In einer Performance von Dulcinea Niederstätter und Caroline Profanter werden u. a. Vertonungen von Passagen aus Fritz´ letztem Werk «Naturgemäß 3» eingesetzt. Assoziationen zu diesem «Roman» vermittelt auch die Powerpoint Show «Alles was uns hier und heute fehlt verlegen wir in die gute alte Zeit». Die bildende Künstlerin Magdalena Steiner präsentiert Arbeiten aus ihrem Comic-Zyklus nach Texten der ersten beiden Fritz-Romane.
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt frei!
Ausstellungszeiten: bis 28. April, mo-do, 10.00-16.00 Uhr und zu Veranstaltungszeiten
Ort: Aktionsradius Wien | 1200 Wien, Gaußplatz 11
Infos: Tel. 332 26 94, office@aktionsradius.at, www.aktionsradius.at
Freitag, 8. April
MARIANNE FRITZ. Textlandschaften.
LESUNG & MUSIK
Der Lektor des S. Fischer-Verlags kapitulierte nach zwei herausgebrachten Büchern der Marianne Fritz: «Wie viel Lebens- und Lesezeit die Lektüre mich und anderen (den Herstellern, den Setzern, den Kritikern, den Lesern) kosten wird!» Die Autorin wechselte in den Suhrkamp Verlag. Siegfried Unseld, der damalige Suhrkamp-Chef, verglich in einem Brief das Werk der Wiener Autorin mit dem Textozean von James Joyce, der seinen Zeitgenossen kaum zugänglich war. Wie Joyce schaffe auch Marianne Fritz Literatur, die möglicherweise erst von späteren Generationen mit der dazu nötigen literarischen Abenteuerlust gelesen werden könnte. Der Schauspieler Heino Fischer hat ein Text- und Songprogramm zusammengestellt, das auf dem unveröffentlichten Briefwechsel zwischen Marianne Fritz und Siegfried Unseld beruht.
Veranstaltung im Rahmen von Q202 - AtelierRundgang
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt frei!
Ort: Aktionsradius Wien | 1200 Wien, Gaußplatz 11
Infos: Tel. 332 26 94, office@aktionsradius.at, www.aktionsradius.at
Dienstag, 12. April
CHRISTINE LAVANT. Wie pünktlich die Verzweiflung ist.
SPRACH-TON-PERFORMANCE
Christine Lavant (1915–1973) kam als neuntes Kind einer Bergarbeiter-Familie im Lavanttal in Kärnten zur Welt. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen und von Krankheiten gezeichnet, gehört die Lyrikerin und Erzählerin zu den bedeutendsten AutorInnen der Österreichischen Nachkriegsliteratur. Die 1946 entstandene Erzählung „Aufzeichnung aus einem Irrenhaus“ geht auf einen 6-wöchigen Aufenthalt der 19-jährigen Christine Lavant in der „Landesirrenanstalt“ nach einem Selbstmordversuch zurück. Das als verschollen geglaubte Manuskript wurde Mitte der 1990er Jahre im Nachlass einer befreundeten Übersetzerin in London entdeckt und 2001 veröffentlicht: „Selten zuvor wurde so offen, so schonungslos und so poetisch von den Abgründen der Psyche und dem Alltag der Psychiatrie erzählt, selten zuvor hat sich eine Autorin so radikal dem eigenem Leben genähert“, schreiben die Herausgeber.
Die Sängerin Agnes Heginger, die Cellistin Maria Frodl und die Schauspielerin Martina Spitzer versuchen mit ihrem Programm „Wie pünktlich die Verzweiflung ist“ einerseits eine Annäherung an das Leben der Autorin, andererseits widmen sie sich der Erzählung „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“ und einer Auswahl aus der sprachgewaltigen Lyrik von Christine Lavant. Das Abbilden und Hörbarmachen des Nicht-zugehörig-Fühlens als Grund und ewiger Quell der inneren Pein, die innere Zerrissenheit dieser großen österreichischen Literatin bilden das Kernstück und dienen als Inspiration des Programms. Mir graut es vor meinen Gedichten und eigentlich vor aller Kunst. Sie passt nicht zu mir, war ein unbegreifliches Zwischenspiel." (Christine Lavant in einem Brief an Hilde Domin).
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: 12 Euro.
Ort: Aktionsradius Wien | 1200 Wien, Gaußplatz 11
Infos / Anmeldung: Tel. 332 26 94, office@aktionsradius.at, www.aktionsradius.at
Dienstag, 19. April
LINDE PRELOG. Schüttelsprach mit Saitenhieb.
COLLAGE AUS KLANG; WORT UND STIMME
„Crazy Little Thing Called Love...“. Das ewige Thema. Vier Cellistinnen und eine schreibende Schauspielerin nehmen sich seiner an. Wenn Linde Prelog (Text, Gesang) die kleinen und großen Stolpersteine des menschlichen Miteinanders liebevoll auf’s Korn nimmt und ein Seepferdchen, einen Kater oder eine Steckdose zu HeldInnen in den Balladen werden lässt, wird die musikalische Improvisation zur lustvollen Partnerin mit schrägen Tönen. Prelogs Schüttelsprache klopft ab, dreht um, legt bloß, gibt frei - stampfend und krächzend, sachte und innig, jaulend und seufzend ergänzen, zersplittern, interpretieren die vier Cellistinnen die Prelog’schen Gereimtheiten.
Das 2004 gegründete Cello-Ensemble Extracello (Edda Breit, Melissa Coleman, Margarethe Deppe, Gudula Urban), das die Möglichkeiten dieses Instrumentes experimentierfreudig und innovativ auslotet, spannt einen breiten musikalischen Bogen, der von der Klassik bis zur freien Improvisation reicht. Auch mit Eigenkompositionen bzw. –arrangements warten die Musikerinnen (u.a. Mitglieder des „Trio Vivo“, des „Wiener Kammerorchesters“, des „Köhne Quartetts“ und der „Capella con Durezza“) für diesen Abend auf, schöpfen mit den Möglichkeiten ihrer Instrumente aus dem Vollen und spielen den Bogen ihrer spezifischen Klangkombination aus. Den Abend mit eindeutig frauenfreundlichem Witz würzt Linde Prelog mit einer gesunden Portion Selbstironie.
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: 12 Euro.
Ort: Aktionsradius Wien | 1200 Wien, Gaußplatz 11
Infos / Anmeldung: Tel. 332 26 94, office@aktionsradius.at, www.aktionsradius.at
Dienstag, 26. April
JURA SOYFER. Der Schatten ist lang.
FILM: EVA BRENNER, SONGS: MAREN RAHMANN
In New York, neben Wien ihre zweite künstlerische Heimat, ist die Theatermacherin Eva Brenner (Leiterin der «Fleischerei» in Wien-Neubau) den Jugendfreunden des österreichischen Schriftstellers Jura Soyfer begegnet. Helli Andis, Juras Jugendliebe, hatte seine Manuskripte ins Exil gerettet. Eva Brenners 1994 entstandener Film «Der Schatten ist lang» führt in die Zeit des «Roten Wien». Jura Soyfer und seine GenossInnen waren Teil dieses Aufbruchs und verbanden politischen Aktionismus mit künstlerischen Experimenten. 1939 wurde Soyfer, als 27jähriger, in einem Nazi-KZ umgebracht. Eva Brenner steht zu einer Diskussion zur Verfügung und informiert über ihre Arbeit zum Soyfer-Buch «So starb eine Partei». Maren Rahmann singt Lieder aus verschiedenen Soyfer-Stücken, begleitet von Rudi Görnet (Bass).
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: 8 Euro.
Ort: Aktionsradius Wien | 1200 Wien, Gaußplatz 11
Infos / Anmeldung: Tel. 332 26 94, office@aktionsradius.at, www.aktionsradius.at
Mittwoch, 27. April
DIE KREMSER HASENJAGD. Wiener Erstpräsentation.
FILMDOKUMENTATION VON GERHARD PAZDERKA UND ROBERT STREIBEL
Als wären sie Hasen, jagen NS-Einheiten in den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges aus dem Zuchthaus Stein bei Krems frei gelassene überwiegend politische Häftlinge. Der für die Entlassung verantwortliche Gefängnisdirektor, Franz Kodré und drei seiner Gefängniswärter werden von den Nazis hingerichtet, hunderte Freigelassene beim Massaker in der Strafanstalt und in den umgebenden Orten wie z.B. Krems, Paudorf-Göttweig und Hadersdorf am Kamp ermordet. In der vorliegenden Dokumentation erzählen ZeitzeugInnen über ihre Erlebnisse rund um die Ereignisse des 6. April 1945. Darüber hinaus dokumentiert der Film die Schwierigkeiten mit der Vergangenheitsbewältigung, am Beispiel der Gemeinde Hadersdorf am Kamp.
Interviews mit Josef Streibel, Katharina Fasl, Anton Jelen, Robert Streibel, Frau K., Christian Timm, Udo Fischer und Christine Pazderka.
Regie: Gerhard Pazderka. Musik: Marcus Circus. Filmdoku, 45 min, Wiener Erstpräsentation.
Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: 8 Euro.
Ort: Aktionsradius Wien | 1200 Wien, Gaußplatz 11
Infos / Anmeldung: Tel. 332 26 94, office@aktionsradius.at, www.aktionsradius.at
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Do, 14. April (Premiere!) sowie
Fr 15.4., Sa 16.4., Di 26.4., Mi 27.4., Di 3.5., Mi 4.5.
DAS UNTERÖSTERREICH
EINE KLEINE TOPOGRAFIE DES UNGEWISSEN
Wir haben aufs neue abenteuerliche Tauchgänge ins Unterösterreich gewagt und keine Anstrengung und Mühe gescheut um Szenen, Lieder, Gedichte, Kunststücke, Gesänge, Melodramen usw. aus diesen Untiefen heraufzubefördern, um sie Ihnen zum Vortrag bringen zu können. Das Unterösterreich zeigt Ihnen… eine kleine Topografie des Ungewissen. Ein Gesamt-Spiel von Christoph Bochdansky, Hannes Löschel und Wolfgang Vincenz Wizlsperger.
Beginn: jeweils 20.00 Uhr.
Ort: Figurentheater Lilarum | 1030 Wien, Göllnergasse 8
Infos & Karten: Tel. 0676 350 73 26, reservierung@lilarum.at, www.bochdanksy.at/unteroe
Samstag, 30. April
DIVERSITYBALL. 4. Ballnacht der Vielfalt.
EQUALIZENT UND WITAF LADEN EIN
Elegant dreht der junge Mann im Frack die Frau im rauschenden Kleid übers Parkett. Sie ist blind, er gehörlos. Ein älterer Mann lacht übers ganze Gesicht während seine Partnerin ihn über die Tanzfläche schwingt. Er sitzt im Rollstuhl, sie trägt einen Schleier. Zwei lesbische Frauen rätseln noch welche diesmal führen soll, während zwei schwule Männer zum nächsten Tanz starten. Und mitten drinnen genießen Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur sowie prominente Gäste die ausgelassene Stimmung im stilvollen Ambiente des Kursalon Wien.
Willkommen in der bunten Welt des Miteinander! Zum vierten Mal veranstaltet equalizent, das Qualifikationszentrum für Gehörlosigkeit, Gebärdensprache, Schwerhörigkeit und Diversity Management mit Unterstützung des WITAF im Kursalon Wien die Ballnacht der Vielfalt und verbindet Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion, mit oder ohne Behinderung, Frauen wie Männer, hetero-, bi-, homo- oder transsexuell, völlig unabhängig vom Alter.
Kommunikation und Vernetzung, so das Motto des Balles, ist nicht nur ein schöner Claim, sondern erklärtes Ziel des Veranstalters jede BesucherIn in der Barrierefreiheit zu unterstützen. Und das gelingt spielerisch. Jeder Gast erhält beim Eingang ein Bändchen mit einer Nummer, die zwei Mal existiert. Dann beginnt die spannende Suche. Wenn die beiden „Bandlpartner“ einander gefunden haben, jedoch nicht gleich verstehen, weil womöglich fehlende Gebärdensprach-Kompetenz heftiges Flirten verhindert, wird das Problem sofort behoben. Ein Kommunikationsengel fliegt herbei und assistiert der Kommunikation. Und sollte gar Schüchternheit die frische Begegnung bremsen, kann die Teilnahme am Flirtseminar zu wahren Erfolgen beflügeln.
Einlass: 19.30 Uhr, Beginn: 20.00 Uhr, Eröffnung: 21.00 Uhr.
Eintritt: 42 Euro Vorverkauf (36 Euro ermäßigt), 50 Euro Abendkassa (40 Euro ermäßigt), Tischsitzplatz: 9 Euro.
Ort: Kursalon Wien | 1010 Wien, Stadtpark, Johannesgasse 33
Infos: Tel. 409 83 18, daniela.attwood@equalizent.com, www.diversityball.at
Kartenvorverkauf & Tischplatzbestellung: www.diversityball.at (unter Ticketshop)
VORSCHAU MAI 2011:
TOTALENTGLEISUNG. VERKEHRTE VERKEHRSPOLITIK?
IMPRESSUM / MHV: Aktionsradius Wien, 1200 Wien, Gaußplatz 11 * fon 01-332 26 94, fax DW 8 * office@aktionsradius.at * www.aktionsradius.at * ZVR 740737083 * Gesamtleitung: Uschi Schreiber * Veranstaltungskonzeption: Robert Sommer * Presse & Webdesign: Alois Kinast * Projektarbeit: Irmi Egger * Grafik: Tom Sebesta * Fotos: Von KünstlerInnen und KooperationspartnerInnen zur Verfügung gestellt. * Programmänderungen und Irrtümer vorbehalten!
Wir senden Ihnen diese Nachricht in der Annahme, dass auch Sie Interesse an kulturellen Ereignissen haben. Sollten Sie sich dadurch dennoch gestört fühlen, so bitten wir Sie, dies zu entschuldigen. In diesem Fall werden wir Ihren Eintrag in der Mailempfängerliste unserer gelegentlichen Aussendungen sofort löschen, wenn Sie uns einfach diese Nachricht mit dem Betreff REMOVE zurücksenden.
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