Das Mädel aus der Vorstadt: J. N. Nestroy. Rez.: Stefan Koch

Stefan Koch
VORSTADTTHEATER IN DER HAUPTSTADT?

 

DAS MÄDEL AUS DER VORSTADT
Johann N. Nestroy

Posse mit Gesang
Stadttheater St. Pölten
29.10.2004, 19.30 Uhr

 

Ein Luster, der zwar nicht unter einem Scheffel, sondern unter einer Treppe leuchtet. Vorhänge, die teils Kronleuchter, teils Bäume abbilden. Und eine Drehbühne, die die verschiedenen Spielorte bereits zeitgleich mit den letzten Takten der Ouvertüre vorstellt, bevor sie überhaupt bespielt werden.
Vor diesem Hintergrund entfaltet sich im Stadttheater St. Pölten Johann Nepomuk Nestroys „Das Mädl aus der Vorstadt“. Dieses, auch genannt Thekla, ist Schuld daran, dass Herr von Gigl Frau von Erbsenstein nicht heiraten will. Seinem Freund Schnoferl, einem Winkeladvokaten, wird die zweifelhafte Ehre zuteil, dies Frau von Erbsenstein, die jener heimlich verehrt, mitzuteilen. Diese wiederum muss in ihrer Nebenbuhlerin die neu eingestellte Stickerin erkennen, mit der sie sich versucht hatte, anzufreunden. Aber nicht nur Herr von Gigl hat ein Auge auf das „Mädl“ geworfen, auch Herr von Kauz, Onkel der Erbsenstein, interessiert sich für Thekla, nicht zuletzt deswegen, weil sie die Tochter desjenigen Mannes ist, der ihn um 120 000 Gulden gebracht hat. Alles dreht sich um Thekla und immer schneller geht das Karussell, bis endlich der Kern aller Probleme gefunden wird. . .
Regisseur Franz Tscherne verlässt sich ganz darauf, was Nestroys Stücke ausmacht: die Sprache. Deswegen lässt er auch nur wenig an Aktion auf der Bühne geschehen, abgesehen von den wiederkehrenden Kragengriffen des Verliebten und dem ständigen Wechsel zwischen „ebener Erd und erstem Stock“. Ansonsten monologisieren Franz Herzog als Schnoferl, Caroline Richards als Frau von Erbsenstein und Helmut Wiesinger als Herr von Kauz mit Blick aufs Publikum. Letzterer übertreibt es mit den Blicken, weniger oft die Augen diabolisch aufreißen wäre auf jeden Fall mehr gewesen. Im Gegensatz dazu ist Franz Herzog zu sehen, der die ehemalige Paraderolle von Nestroy mit Ernst und ohne allzu grotesk zu übertreiben spielt. Caroline Richards und Irene Halenka als Thekla bemühen sich, das Beste aus den von Johann Nepomuk Nestroy farblos gestalteten Frauenfiguren zu machen. Die Bemühungen des Regisseurs, mittels herumlaufender und quietschender „Vorstadt-Mädls“ die Szenerie doch noch zu beleben, gerät lächerlich.
Damit es aber während der Monologe, die meist nur vom Auf- und Abschreiten der Schauspieler an der Rampe begleitet werden, auch etwas zu sehen gibt, dafür sorgt Marcus Gansers Bühnenbild. Dieses füllt mit seinen Ideen den Bühnenraum zwar aus, überfüllt diesen jedoch nicht und bietet somit die perfekte Untermalung für die Deklamationen der Hauptpersonen.
Ein Nestroy-Stück kommt nicht ohne Couplets aus. Obwohl anfangs der Zeitbezug nicht allzu kenntlich war und es zu befürchten stand, dass auf die Aktualisierung vergessen wurde, kamen zum Schluss hin vermehrt (treffende) Seitenhiebe auf die politischen Zustände, besonders im St. Pöltner Land, vor. Die längere Gesangseinlage am Ende des 1. Aktes jedoch geriet peinlich, da die Sängerinnen und Sänger nicht in der Lage waren, die hohen Töne zu treffen und auch Sprechgesang in diesem Fall nicht helfen konnte.
Das Stadttheater St. Pölten als Vorstadttheater zu bezeichnen wäre falsch, es trägt aber leider noch immer Züge davon in sich.

 

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