Liebes'gschichten und Heiratssachen: E. T. Spira. Rez.: Alois Eder

Alois Eder
THEATER- ODER KABARETT-FORMAT?

 

LIEBESG'SCHICHTEN
UND HEIRATSSACHEN
Elisabeth T. Spira

Wege zum Glück mit musikalischer Begleitung
NÖ Landestheater, St. Pölten
11.11.2005, 19.30 Uhr

Einen Nachteil hat die neue Programmstruktur des Landestheaters ja schon. Wer immer auf dem Weg ins Theater umgekehrt ist, sobald ihm aufging, dass zu Faschingsbeginn nicht Nestroys Posse, sondern ein Sucus aus dem gleichnamigen TV-Format und Quoten-Renner der Elisabeth T. Spira auf dem Programm steht, wird kaum Gelegenheit haben, seine Entscheidung zu revidieren, mag die Theaterkritik in den Medien auch noch so positiv ausfallen. Denn nach einer Wiederholung am Folgetag ist diese Produktion des Vereins O-Ton, schon wieder von der Bühne der Landeshauptstadt verschwunden. Eine Planung also, die der Sickerwirkung echter Qualität bei den Kulturinteressierten gar keine Chance gibt, es sei denn, die Produktion weicht als Gastspiel an andere Bühnen aus und man erfährt davon.
Im konkreten Fall ist das sehr schade, denn auch wenn man darüber streiten könnte, ob es sich um Theater im eigentlichen Sinne handelt, wenn echte Highlights an Selbstdarstellungen oder auch nur dadurch angeregte Portraits von Kunden dieser TV-Partnervermittlung im Stil einer Lesung oder eines Konzerts - unterstrichen durch die Cello-Untermalung Wolfgang Panhofers - zu einer Collage gebündelt werden. Derlei könnte ebensogut als Hörspiel, auf einer räumlich beengten Kabarettbühne oder als Hörbuch auf CD sein Glück machen. Schon im Fernsehen macht die Sendung ja wohl durch die unfreiwillig komisch bis tragikomischen Züge der reportierten Beziehungsbiographien Quote - human interest halt, wie gebildete Medien-Kunde weiß.
Trotzdem ist die Klassifikation des Abends als Volkstheater in den Programmheften wohl ein Missgriff der Werbung. Qua Theater schon deshalb, weil die von einem fulminanten Team aus Hilke Ruthner, Kathrin Turm, Josef Lorenz und Hermann Schmid vorgetragenen Kontaktanzeigen ja nicht zur Interaktion gebracht werden. Und auch ihre Volkstümlichkeit ist eher ein Nebeneffekt, insofern natürlich vom breiten Wienerisch bis zu ungarischem, tirolerischem und vorarlbergerischem Akzent alle Variationen vorkommen. Aber doch eher, ohne dass daraus komischer Effekt abgeleitet wird wie bei den Bergamaskern der Commedia dell' arte oder dem salzburgerischen Kraut- und Sauschneider Hanswurst.
Eher geht es in die Richtung jener Sprachmasken, die ein Elias Canetti in den Vorlesungen des Karl Kraus gelernt und in seinem eigenen Bühnenstück Hochzeit eingesetzt hat - zusammen mit dem Postulat einer unmittelbaren Verbindung zwischen Sprach- und Charaktereigenheiten, das auch den eigentlichen Genuss an den Partner-Indiskretionen über männliche Prügel, weibliches Fremdgehen oder unüberwindbare Schüchternheit in Eisabeth T. Spiras Möchtegern-Ehestands-Panoptikum ausmacht, und denen man trotz ihrer Stückchen- statt Stück-Wirkung eins nicht absprechen kann: dass sie jeder, der sie länger einwirken lässt, auch zur Katharsis und Selbsterkenntnis nutzen kann, was ja eine genuine Funktion des Theaters wäre.
Dass da jede Menge von Partner-Zores und Ego-Kosmetik ungefiltert zu Wort kommen, hat natürlich auch einen komödiantischen Effekt, und dem war es wohl zu danken, wenn das eher schütter eingetroffene St. Pöltner Premierenpublikum die Darbietung hinter den vier Notenständern auf der Bühne hervor mit viel Beifall aufgenommen und der Autorin bzw. Regisseur Roman Kummer gedankt hat. Jedenfalls ein Abend, der das Original-Nestroy-Zitat nicht verdient, dass man halt hingehe, damit der Abend auf dramatisch hin wird.

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