Der Großinquisitor: Dostojewski. Rez.: R. Eglhofer

Robert Eglhofer
LANDESTHEATER GOES INTERNATIONAL

 

THE GRAND INQUISITATOR
Für die Bühne bearbeitet von Marie-Hélène Estienne
In engl. Sprache mit dt. Übertiteln
Fjodor M. Dostojewski
Landestheater NÖ
Österreich-Premiere: 27.01.07, 19.30 Uhr
Regie: Peter Brook
Mit: Bruce Myres
Lichtdesign: Philippe Vialatte

 

Wenn eine französische Bühne eine russische Vorlage unter britischer Regie für ein deutschsprachiges Publikum aufführt, ist das wahre Internationalität.
Nachdem schon im Vorjahr eine der führenden deutschen Bühnen, nämlich Peymanns Berliner Ensemble, in St. Pölten gastiert hatte, setzte das Landestheater heuer noch eines drauf. Das Théâtre des Bouffes du Nord-Paris brachte am 23. Februar als Österreich-Premiere eine Bearbeitung aus Dostojewkijs Großinquisitor unter der Regie von Peter Brook, dem weltberühmten britischen Shakespeare-Film- und Theaterregisseur. Wer nicht so gut Englisch beherrschte, konnte sich an die deutschen Übertitel halten.
Der Plot stammt aus dem Roman Die Brüder Karamasow – erst kürzlich im Festspielhaus als Ballett zu sehen – und zeigt die Rückkehr Christi auf die Erde, ins Spanien der Inquisition. Der Großinquisitor macht ihm klar, dass er hier unerwünscht ist. Seine Lehre sei undurchführbar, erzeuge nur Unruhe und quäle den Menschen. Er vertrage keine Freiheit und Güte, sondern brauche strenge, diktatorische Vorgaben. Beeindruckt vom großherzigen Schweigen Christi und seinem brüderlichen Kuss, besteht er nicht mehr darauf, ihn als Ketzer verbrennen zu lassen, sondern schickt ihn „bloß“ weg: Go and come no more. Never! Der Großinquisitor bleibt allein zurück: Der Greis aber – der Kuss brennt in seinem Herzen – bleibt bei seiner Idee.
Christus selbst tritt im Stück nur als barfüßiger, passiver Zuhörer auf, während Bruce Myers in der Doppelrolle als narrativer Moderator und als wortgewaltiger Großinquisitor eine knapp einstündige Rede hält: kompakt, konsequent und direkt. Mit aller Brillanz beherrscht er den dialektisch-moralisierenden, rezitativen Monolog, stellt aber gleichzeitig auch hohe Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit des Publikums: ein überzeugter wie auch überzeugender Schauspieler. Seine Stimme unterstreicht seine Rolle: Sie klingt nicht nach polterndem Macho, sondern scharf und präzise wie die eines kalkulierenden Juristen.
Die Inszenierung kommt aus mit einfachsten Mitteln, und eignet sich daher bestens als Gastaufführung: Die kahle Bühne und zwei einfache hölzerne Hocker fokussieren auf das dogmatische Verhör, während die grelle Beleuchtung andeutet, dass dieses Verhör vor einer Öffentlichkeit stattfindet, vielleicht vor uns allen.
Wer die theoretische und manchmal auch anstrengende Auseinandersetzung mit dem Christentum und seinem eigenen Anteil daran nicht scheute, wurde mit einem gelungenen und spannenden Theaterabend belohnt.

Mehr Kritiken aus der Kategorie: