Kleine Nachtmusik: Silke Hassler. Re.: E. Riebler

Eva Riebler
SUCHE LIEBESSCHWUR

 
KLEINE NACHTMUSIK
Silke Hassler
Anerkennungspreis des Landes NÖ für Literatur 2005
Landestheater NÖ, Werkstattbühne
Premiere: 28.4.07

In 15 Szenen zeigt uns das prämierte Theaterstück der Kärntner Dramaturgien Silke Hassler die Suche der weiblichen Hauptperson, Anna (Charlotte Krainer), nach einem, nämlich DEM, Liebesschwur schlechthin. Sieht man hinter das Getöse der rasch wechselnden Personen und mehr oder aberwitzigen Szenen, tut sich die Frage auf: Wie kann man nach einer gescheiterten Beziehung BLOß – im Sinne von NUR - Sex als Allheilmittel suchen? Gibt es da nicht Geborgenheit, Anerkennung oder zuerst allgemeines Kennen lernen oder Wohlfühlen in einer Partnerschaft? Da ihre soeben beendet ist, hat sie anscheinend wenig daraus gelernt und begeht wohl noch krassere Fehler in ihrer Sexbesessenheit. Wie man auch im „Qualifikationsspiel“, aus dem Theaterstück „Popcorn und Pistole“, der Autorin unschwer erkennt: Geht es immer nur um Sex. Auch wenn das „Qualifikationsspiel“ in einer Klapsmühle spielt, ist nicht Unterhaltung, Gesundheit oder Heilung wichtig, sondern ausschließlich rasanter Sex, ohne Vorher und Nachher. So beherrscht Sex anstatt Suche nach Erotik oder Liebe alle 15 Szenen der „Kleinen Nachtmusik“. Das würde nichts machen, wenn wenigstens eine Ausnahme von der Regel bestünde, z.B. bei dem wunderbaren Dialog mit dem Bergsteiger (wie immer exzellent: Helmut Wiesinger) auf der Hollywoodschaukel. Die vorhergehende Szene mit dem onanierenden Rosenverkäufer bekam einen diesbezüglich dramaturgischen Dreh der Regie (Bettina Hering), indem der Rosenverkäufer (hervorragend: Thomas Mraz) nicht wie vorgesehen mit dem Rücken zum Publikum, sondern Aug in Aug, wenn auch geschlossen, onaniert. Seit Büchners Woyzeck wissen wir, dass in der Werkstattbühne raue Sitten herrschen.

Die „Kleine Nachtmusik“ könnte mit der anfänglichen Szene: Popcorn und den immer wieder vorkommenden Pistole-an-Schläfe- oder Pistole-sonst-wohin-Szenen aus diesem Theaterstück „Popcorn und Pistole“ stammen. Um den raschen Vorgang und die Ausweglosigkeit der Bemühungen der Hauptperson zu zeigen, bedurfte es bei dieser Dramaturgiefassung (Rupert Klima) keines Metronoms. Sehr angenehm, passend und belebend stimulierte anstatt dem Metronom plus Geige des Originalstückes die Einspielung verschiedener Sequenzen des Hörfunks.

Nicht nur die dramaturgische Aufbereitung, sondern die schauspielerischen Leistungen des Werkstatt-Ensembles waren grandios und künstlerisch unüberbietbar. Selbst in der 9. Szene mit dem Mann mit der Pudelmütze, einem geilen Freier, bei der Thomas Mraz keine 5 Sätze zur Verfügung hatte, beherrschte er die ganze Szene köstlich und einmalig mit seinem Können. In der Titelpartie glänzte Charlotte Kreiner, einfach hervorragend als junger Mann spielte Mirko Roggenbock, als beeindruckende Hure: Antje Hochholdinger und als gekonnt wandlungsfähiger Ehemann, Priester und Freier: Matthias Lühn. Zuletzt als verführerischer Tambourmajor im Woyzeck, nun als 1A Wissenschaftler und Bruder war Thomas Richter unüberbietbar. Einfach herrlich spielte Othmar Schratt, diesmal nicht den arroganten Doktor, sondern den einfachen Handwerker mit Wurstsemmeldialog und Katrin Thurm die stark exzentrische Frau um die 40, die ihren Ehemann am Markt anbietet. Ein Lob der Inszenierung und der Ausstattung sowie dem passenden modernen Bühnenbild, den Kostümen, dem Licht und dem eingespielten Ton!

Das Stück lebte von der Schauspielkunst, die nach Nirwana und Woyzeck nochmals eine Steigerung erfuhr!

Gratulation dem Werkstatt-Ensemble!!!
Noch zu sehen am 2., 3., 4. und 5.05.07. Am 2.05.07 mit Publikumsgespräch nach der Vorstellung.

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