Manuela Tomić: Zehnfingermärchen

Florian Müller

Manuela Tomić:
Zehnfingermärchen

Kleine Prosa
Wieser Verlag
107 Seiten, 2024
ISBN 978-3990296417

Zwischen Sarajevo, Völkermarkt und Wien.
„Mit 13 überlebte ich meine erste bosnische Hochzeit.“ Die Literaturminiaturen der Journalistin, Prosa-, Lyrik- und Hörspielautorin Manuela Tomić führen rasant durch ein Leben, das in Sarajevo beginnt und über eine Kindheit und Jugend in Völkermarkt und Klagenfurt in die Redaktionsstube der Furche führt, wo sie 2021 ihre Zehnfingermärchen zunächst als Newsletter und dann als Kolumne schreibt.
Die ersten 99 dieser Kleinprosastücke sind nun bei Wieser leicht überarbeitet und aus dramaturgischen Gründen in der Reihenfolge geändert erschienen.
Tatsächlich sind es kleine Märchen, führen sie doch mit sehr präzisen und poetischen Titeln in nur wenigen Zeilen in einen magischen Moment, wenn etwa die Krautrouladen „Sarma“ beginnen, ihre Worte einzuwickeln, ihre Schwester im handlosen Traum die Kolumne schreibt oder wenn die Ahnen aus einem Loch in der Wand sprechen.
Sofort freunden sich die Leser:innen mit der Mutter im Schützenverein, der Großmutter als Džin, oder Großvater Ivo an, der nach einen gestohlenen Schnapsfass den Beichte abnehmenden Pfarrer um Unterstützung bittet.
„Eindeutig haben wir in Völkermarkt zu viel Völkerball gespielt“, beginnt ihr Text „Kriegsspiel“.
Nicht nur in das Bosnische mit seinen arabischen Lehnwörtern plus Kauderwelsch wird man bei Manuela Tomić eingeführt. Man bekommt auch eine neue Perspektive auf das von ihr erlernte Deutsch.
Gut zu wissen, dass man nach dem Buch in den wöchentlich erscheinenden Kolumnen in der Furche weiterleisen kann.

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