11. Philosophicum Lech: Auftakt, Einführung Liessmann - Part 4

1. Tag - Auftakt - Einführung

Konrad Paul Liessmann

Es folgte eine ausführliche Erläuterung über Gretchens Frage von Konrad Paul Liessmann.

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Nach Liessmann ist Religion Privatsache, eine Intimsphäre. Die Frage nach der Religion ist nicht die Frage nach dem rechten Glauben – bist du Katholik oder Protestant? – sondern eine prinzipielle Frage. Es ist die Verpflichtung zur Solidarität, auch ohne Religion zur Moral zu gelangen – Gute Menschen gibt es überall, böse auch.

 

Fausts Ausweichmanöver treibt Gretchen zur Frage „Glaubst du an Gott?“.
Doch in Dingen der Religion gibt es keine Auskunftspflicht. Nach Kierkegaard ist der Glaube nicht kommunizierbar, er ist stumm. Liessmann führt in seinen Erläuterungen an, Faust sei zur Auskunft nicht fähig. Er sei im Dilemma. Einerseits kann er nicht mehr naiv glauben, andererseits ist er noch kein kämpferischer Atheist. 1780 meinte Kant: „Alle Gottesbeweise müssten ebenso scheitern wie alle Versuche, die das Gegenteil im Sinne haben““. Bis dahin, so laut Liessmann gab es keinen Fortschritt im Denken.

Nur ein Gott als Beobachter des Ganzen von Außen ergäbe einen Sinn. Prekär wird es nach Luhmann, wenn religiöse Kontingenzbewältigungsformeln mit moralischen Ansprüchen und sozialen Systemen kurzgeschlossen werden. Wenn also Politik mit Religion gekoppelt wird, dann wird hemmungslos gefoltert. Laut Liessmann habe eine säkulare Gesellschaft kein Problem mit unzähligen Glaubensvorstellungen, solange sie nicht mit dem Rechtssystem zusammenprallen. Liessmann: „Das Problem liegt in der Reetablierung eines Konzeptes von Religion, das (es!) erlaubt, diese als Gemeinschaft zu denken, die nicht nur die Souveränität des Einzelnen bezweifelt und beschneidet, sondern auch für die Lebensform und den dazugehörigen Wertevorstellungen einen Sonderstatus gegenüber den Rechtsnormen der Gesellschaft, in der sie eingebettet ist, beansprucht.“ So verführte Faust im Bunde mit dem Teufel Gretchen. Ob dies die beste Lösung war, bleibt fraglich. Doch Liessman schließt seine Einführung mit der Frage nach Fausts Alternative.

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