11. Philosophicum Lech: 2. Tag, Gudrun Krämer - Part 9

2. Tag

 

 

Gudrun Krämer

 

Gudrun Krämer schließt mit ihrem Vortrag „Ist der Islam eine politische Religion?“ an das brisante Thema ob der Bedrohlichkeit des Islams an. Man müsse über das Empfinden der Bedrohung sprechen, und den Islam in einen westlichen Säkularismus einfügen. Die Angst begründe sich auf das politische Potenzial des Islams. Die Einheit Religion und Staat ermögliche den Fundamentalismus. Nach Kolonialismus, Imperialismus und der Globalisierung komme die Identitätspolitik ins Rollen, auch wenn sie noch nicht praktiziert wird. Der Islam bilde viele Diversitäten in der Realität.

Der Koran sei das Fundament, die Überlieferungen des Propheten und die vielen Denkschulen haben jedoch keine Gedankeneinheit ermöglicht. Deshalb wäre auch die richtige Bezeichnung für den Islam die englische Version: „Islamic way of live“. Um den Islam als Gesetzesreligion zu verstehen, müsse man die Shari’a erläutern, die ein Pfad, bzw. ein Weg in Paradies bedeute und demzufolge mehr als ein weltliches Gesetz darstelle. Auch hier gibt es verschiedene Auffassungen, man könne dies am Beispiel des Schleiers sehen.

Krämer lässt sich auf einen geschichtlichen Diskurs ein und spricht vom Islam als einer dominanten Religion mit hegemonialem Anspruch, die zuerst die Herrschaft anstrebe, um die Islamisierung ohne Zwangskonvertierung über Jahrzehnte und Jahrhunderte durchzuführen. Historisch gesehen herrschten islamische Obrigkeiten über eine Bevölkerung, die großteils nicht islamisch war.
Eine Apostasie oder ein Religionswechsel wurden als Verrat gesehen. Am Beispiel Ägypten sähe man jedoch dass seither modernes politisches Denken eingeflossen sei.
Eine Über- oder Unterordnung sollte nicht zur Kernfrage werden. Obwohl islamische Parteien die Mehrheit besitzen, sei die Bevölkerung in islamischen Staaten der Ansicht, die politische Präferenz richte sich nicht nach dem Islam.
Krämer weist weiter darauf hin, dass es mehr als eine Milliarde Muslime gebe und daher kaum die Chance auf eine Einigung bestehe. Der Islam sei wohl die Religion, die von Anfang an bis heute am meisten pluralisiert wurde.

Im Gegensatz zu Ednan Aslan glaubt Gudrun Krämer nicht an die Möglichkeit einer Säkularisation in islamischen Staaten, alleine aus dem Grund, weil es keine Kirche im institutionellen Sinne gäbe. Der Islam sei als Lebensform zu verstehen, den man folglich vom Staat auch nicht trennen könne.

 

 

Eine heiße Podiumsdiskussion wurde vom Großteil der Zuhörer erwartet Die Hitze blieb jedoch aus. Das Öl welches Liessmann versuchte ins Feuer zu gießen, wurde prompt von Krämer mit dem Kommentar gelöscht: „ Ich habe es wirklich satt, dass die Al-Qaida immer wieder mit dem Islam verwechselt wird.“

 

Die Diskussion um den Islam ging im Publikum in den Pausen, sowie in der abendlich besetzten Philosophen-Bar weiter. Enttäuschung seitens des Publikums war zu hören, von Scheinheiligkeit war die Rede. Offensichtlich hätte ein Teil der Zuhörerschaft eine größere Kontroverse, ob der Bedrohung und den ausgehenden Terrorismus durch den Islam erwartet.

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