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Information der Stadt Hohenems
Hohenemser Literaturpreis erstmals vergeben
Am gestrigen Samstagabend, den 20. Juni 2009 wurde erstmalig der "Hohenemser
Literaturpreis für deutschsprachige AutorInnen nichtdeutscher Muttersprache"
offiziell verliehen.
Bei einer feierlichen Übergabe im Salomon-Sulzer-Saal, der einstigen Synagoge von
Hohenems, wurden die AutorInnen Michael Stavaric und Agnieszka Piwowarska, die sich
den Hauptpreis von gesamt 10.000 Euro teilen, ausgezeichnet. Der Anerkennungspreis
der Jury in Höhe von 3000 Euro wurde Susanne Gregor zugesprochen.
Werner Grabher, Leiter der Landeskulturabteilung Vorarlberg, lobte in seiner Rede
den Mut, den Literaturwettbewerb, der auf einer Idee des Hohenemser Autors Michael
Köhlmeier basiert, nachhaltig umzusetzen: Ein Literaturpreis, der sich
ausschließlich an AutorInnen richtet, die Prosa auf Deutsch und nicht als ihrer
ursprünglichen Muttersprache verfassen. Dass die Platzierung des ungewöhnlichen
Wettbewerbes in dieser Stadt nicht beliebig ist, gab Kulturstadtrat Günter Linder zu
bedenken, der den Preis überreichte: Schon zur Zeit der "Emser Grafen" pflegte
Hohenems Verbindungen innerhalb ganz Europas; die Ansiedelung jüdischer Bürger zu
Beginn des 17. Jahrhundert bildete den Anfang einer langen Koexistenz einer
christlichen und jüdischen Gemeinde. Vor dem aktuellen Hintergrund eines
migrantischen Bevölkerungsanteils von rund 16 Prozent und angesichts der Historie
dieser Stadt sei es wichtig und fruchtbar, gerade hier Fragen der Kultur, der
Identität und der Sprache zu thematisieren, Impulse zu geben und ein Forum zu
bieten.
Die Kooperation mehrerer Beteiligter, wie des Vereins "Viertel Forum", der
"Hohenemser Lesegesellschaft" und des städtischen Kulturamtes machten die Umsetzung
des ungewöhnlichen Literaturprojektes möglich, welches mit der Verleihung seinen
Höhepunkt fand. Neben den drei PreisträgerInnen, die ihre bislang unveröffentlichten
Texte - so eine Bedingung des Wettbewerbs - an diesem Abend erstmals vorlasen, war
auch die hochkarätige Jury vollzählig vertreten: Michael Köhlmeier, Zsuzsanna Gahse,
Anna Mitgutsch, Doron Rabinovici und Zafer Senocak hatten die knapp 200 ihr anonym
vorliegenden Einsendungen gesichtet und begründeten bei der Verleihung ihre
jeweilige Entscheidung.
Hauptpreis: Michael Stavaric für "Geister"
Hervorgehoben wurde die "dichte Erzählung" und die "stimmige und plastische
bildhafte Sprache", mit welcher der Autor aus der Perspektive eines Jungen
Beobachtungen in einem Flüchtlingslager anstellt. Jurymitglied Zafer Senocak: "Mit
"Geister" prämiert die Jury einen herausragenden poetischen Text, der durch seine
Genauigkeit und Musikalität auffällt, geschrieben mit sarkastischem Unterton, der
die Melancholie des Heimatverlusts, die Fremdheit des Lagerlebens, der es
umzingelnden Wälder und Soldaten uns näher rückt. Die Geschichte geht nahe und wahrt
doch Distanz. Sie bewahrt ihre Eigenständigkeit gegenüber allgemeinen Erwartungen."
Hauptpreis: Agnieszka Piwowarska für "Oktober"
Der Siegertext der jungen Autorin erzählt in atemlosen, gedrängten Sätzen die
Geschichte einer von Schleppern organisierten Flucht nach Deutschland als ein für
die Flüchtenden nahezu mystisch verklärter Ort; eine "Grenzüberschreitung", die
tragisch endet. Anna Mitgutsch zu "Oktober": "Ein Text, der die Jury durch seine
poetische Dichte und berührende Lakonie bei einem schwierigen Thema überzeugt hat.
In diesem Text ist kein Wort zuviel, und dabei enthält er so vieles: Verzweiflung
und Abschied, Hoffnung, Ungewissheit und Tod."
Anerkennungspreis: Susanne Gregor für "Schwarzer Zucker"
In "Schwarzer Zucker" erzählt die Autorin die Geschichte einer interkulturellen
Beziehung, über die Herausforderungen des gemeinsamen Zusammenlebens aber auch das
partnerschaftliche Bewältigen der Probleme, die von außen einwirken. Juryleiter
Michael Köhlmeier: "Dies ist die Definition von Poesie: Dass der Leser den Text
empfindet als allein für ihn geschrieben. In dieser kurzen Geschichte ist so viel
Poesie enthalten wie in manch gutem Roman. Dies ist mehr als eine Talentprobe. Es
ist ein kleines Stück großer Literatur. Ich hätte diesen Text gern geschrieben."
Mehr Informationen im Internet: www.hohenems.at/literaturpreis
Biographien der PreisträgerInnen
Michael Stavaric, geboren 1972 in Brno (Tschechoslowakei), lebt seit seiner Kindheit
in Österreich und ist als freier Schriftsteller und Übersetzer in Wien tätig. 2009
erschien sein jüngster Roman "Böse Spiele" im Verlag C.H. Beck. Michael Stavaric ist
unter anderem Träger des Literaturpreises der Akademie Graz und des
Chamisso-Förderpreises; 2007 wurde er zum Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen. Im
heurigen Jahr 2009 erhielt er bereits den Österreichischen Staatspreis für Kinder-
und Jugendliteratur sowie den Literaturpreis Wartholz.
Die Jury des Hohenemser Literaturpreis überzeugte er mit seinem Text "Geister".
Agnieszka Piwowarska wurde 1978 in Gdansk (Polen) geboren, und lebt seit 1987 in
Deutschland. Die ausgebildete Schauspielerin, die unter anderem in dem Cannes-Film
"Summer Palace" zu sehen war, studierte an der Hamburg Media School im Fachbereich
Drehbuch und lebt in Berlin. Für ihr Skript zu dem Kurzfilm "Einladung" erhielt sie
2006 den 1. Preis der Jury beim Internationalen Filmfestival in St. Petersburg. Ihre
Erzählung "Oktober", für welche sie den Hohenemser Literaturpreis erhält, wird sie
erstmals im Zuge der Preisverleihung einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen.
Frühe Prosatexte hatte sie bereits in einer von den Berliner Festspielen
herausgegebenen Anthologie im Rahmen des "Treffens Junger Autoren" veröffentlicht.
Der diesjährige Anerkennungspreis wurde für die kurze Erzählung "Schwarzer Zucker"
zugesprochen: Dessen Verfasserin, Susanne Gregor, 1981 in der Slowakei geboren, lebt
seit 1990 in Österreich. Die junge Autorin arbeitete als stellvertretende
Chefredakteurin des "Österreich Spiegel" und leitet derzeit "Deutsch als
Fremdsprache"-Kurse. 2008 erschien ihre erste Veröffentlichung, eine Kurzgeschichte
in der Anthologie "Rote Lilo trifft Wolfsmann. Literatur der Arbeitswelt".
Sponsoren
Neben Land und Bund unterstützten Sponsoren das Projekt freundlicherweise und helfen
mit, die Realisierung dieses Preises möglich zu machen. Im einzelnen sind dies:
Bucher Druck und Verlag Hohenems, Raiffeisenbank Hohenems, Rhomberg Bau, work.net
sowie Gasthof und Landhaus Schiffle, Hohenems
Hohenems, am 21. Juni 2009
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