Der Bockerer: Ulrich Becher und Peter Preses. Re.: C. Zawadil

Claudia Zawadil
EIN ECHTER WIENER GEHT NICHT UNTER

 
DER BOCKERER
Ulrich Becher und Peter Preses
Landestheater Niederösterreich, Großes Haus
Premiere: 07.12.07, 19.30 Uhr
Regie: Emmy Werner
Mit: Erwin Steinhauer, Matthias Franz Stein, Thomas Stolzeti ...

Es gab wohl kaum jemanden unter den anwesenden Gästen bei der Premiere von „Der Bockerer“, der nicht Franz Antels Verfilmung aus dem Jahr 1981 mit Karl Merkatz als renitenten und etwas trotteligen Wiener Fleischhauer während der Nazizeit gesehen und besonders tragische oder lustige Ausschnitte im Gedächtnis gespeichert hat. Die Verfilmung aus der vor-Waldheim-als-Bundespräsident-Ära wurde in die österreichische Folklore als Entlastung des kollektiven österreichischen Bewusstseins mit der Absicht aufgenommen, dass die bösen deutschen Buben bei uns eine ziemliche Sauerei angerichtet hatten, es natürlich auch in unseren Reihen einige faule Eier gab, doch waren / wären wir letztendlich nicht alle kleine Bockerer gewesen?

Wie also würde Emmy Werner das Stück bearbeiten und neue Facetten der handelnden Personen und der Geschichte beleuchten? Nun, sie nahm sich die ursprüngliche Version von Schriftsteller Ulrich Becher vor, die dieser gemeinsam mit dem österreichischen Schauspieler Peter Preses 1946 im
New Yorker Exil geschrieben hatte und richtete ihr Augenmerk vor allem auf die familiären Spannungen im Hause Bockerer, die der politische Umschwung mit sich brachte. Wie umgehen mit dem geliebten Sohn, der nun der SA gehört und dem Vater zunehmend fremd wird? Was machen mit seiner Gattin, die dem Geburtstag des Führers mehr Bedeutung beimisst, als dem des Mannes, der am selben Tag das Licht der Welt erblickte?

Es sind diese „menschelnden“ Szenen, die dem Zuschauer unter die Haut gehen, die ihn spekulieren lassen, wie er wohl gehandelt hätte. Beispielsweise wenn er sich vom gar nicht mehr so überzeugten Sohn verabschieden müsste, der zum Heldentod an die Ostfront gerufen wird. Der dem Vater versichert, er könne ja nichts dafür und sei gezwungen worden, da mitzumachen. Würde man es dem einfachen Fleischhauer aus der Paniglgasse gleichtun und das Geschehene zugunsten des eigenen Seelenheils verzerren? Oder passiert die selektive Wahrnehmung ohne unser zutun und wir können gar nicht anders, als das Undenkbare ausblenden?

Das anfängliche Stocken in den Beifallsbekundungen der vollständig erschienenen Zuschauerschar mag sich möglicherweise durch die Omnipräsenz des Karl Merkatz-Bockerer in deren Köpfen erklären, von der sich Erwin Steinhauer jedoch schnell frei spielen konnte. Er konzipiert den Helden ambivalenter und tiefgründiger, vergibt sich dadurch vielleicht einige Lacher, im Gegenzug wirkt die Figur nicht so karikaturenhaft wie im Film. Mit der Emanzipation von Merkatz hat der Mime die einzig mögliche Hürde genommen; am Stück selbst kann man sowieso kaum etwas ruinieren, weil es so unglaublich gut geschrieben wurde. Neben dem alles dominierenden Steinhauer konnte sich im Stück noch Viktoria Schubert als Frau Bockerer und Johannes Seilern als dessen Freund gut in Szene setzen. Matthias Franz Steins Debut in der Rolle des Bockerer Junior kann durchaus als gelungen gelten, in den Nebenrollen überzeugten Mirko Roggenbock als Gestapo Offizier Dr. Lamm und Thomas Stolzetti als Professor Selchgruber.

Das Stück ist noch bis Februar 2008 im Landestheater NÖ zu sehen.
Nicht versäumen: Letzte Vorstellung ist am 05.02.2008!

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