11. Philosophicum Lech: 1. Tag Jan Philipp Reemtsma - Part 5
1. Tag
Jan Philipp Reemtsma
Mit dem Literaturwissenschafter Jan Philipp Reemtsma eröffnet schließlich das
11. Philosophicum sein Programm. „Muss man Religion respektieren? Über Glaubensfragen und den Stolz einer säkularen Gesellschaft“ lautet sein Vortrag.
Der in unseren Tagen in seinen Predigten viel zitierte Erzbischof von Köln Joachim Kardinal Meisner wurde zum Aufhängeschild für die Frage nach Respekt in der Religion. Zitat Meisner: „Wo der Mensch sich nicht relativieren oder eingrenzen lässt, dort verfehlt er sich am Leben: zuerst Herodes, […], dann u.a. Hitler und Stalin, […], und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.“ Der Satz erregte Aufsehen. Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach von Beleidigung der Juden und der Frauen in Not. Der Vergleich von Abtreibung und Holocaust sei rein nach katholisch religiöser Überzeugung, so Reemtsma, nicht skandalös. Man könnte vielleicht seine religiöse Überzeugung skandalös finden, oder erfordere sie gar Respekt? Um dies zu klären, müsste jeder in der Lage sein den Standpunkt eines Bürgers einer säkularen Gesellschaft einzunehmen. Das hieße auch wo öffentlich Religion stattfinde, ist sie Privatsache.
Reemtsma benötigt einen weiteren Begriff um die Respektfrage zu klären – Religiosität. Die Religiosität führe in weiterer Folge zu einem Dilemma. In diesem Konflikt des gegenseitigen religiösen Respekts gelangt Reemtsma zur Frage ob Religion möglicherweise nichts anderes als ein zwangsneurotisches Verhalten wäre, denn in einer säkularen Gesellschaft gäbe es beispielsweise keine Diskussion um ein Kopftuch. Sie ließe sich ob ihrer Bekleidung nichts vorschreiben. Es fehle der säkularen Gesellschaft an Stolz. Der Unterschied zwischen Religion und Therapie liege darin, dass eine Therapie niemals mit „ich glaube“ unterbrochen und somit beendet würde. In letzter Instanz sei die Therapie aufbauend und führe zu einer Weiterentwicklung. Der Therapeut demnach habe die Aufgabe den nicht Sündigen sündfähig zu machen, nicht Religiöse erlebten dies als Freiheit.