13. Philosophicum Lech: Auftakt, Einführung Liessmann - Part 2. I. Reichel
Ingrid Reichel
BEGEHREN DURCH SCHÖNHEIT? ODER SCHÖNHEIT DURCH BEGEHREN?
13. Philosophicum Lech
Vom Zauber des Schönen.
Reiz, Begehren und Zerstörung.
Neue Kirche, Lech am Arlberg, Vorarlberg
16. – 20.09.09
1. Tag – Part 2
17.09.09, 17.30 Uhr
Nach den feierlichen Reden des Bürgermeisters von Lech Ludwig Muxel, des Landesstatthalters Markus Wallner und des Sektionschefs Friedrich Faulhammer, der als Vertretung des Wissenschaftsministers Johannes Hahn gekommen war, eröffnete Bildungsministerin Claudia Schmied das 13. Philosophicum. Im Schönen sehe sie die Chance, an der Kultur teilzuhaben, an einem sozialen Miteinander, an einem Zugang zu einer von Herkunft und Ökonomie unabhängigen Bildung. Jungen Menschen müsse eine Perspektive eröffnet werden. Schmied beendete ihre Eröffnungsrede mit einem Appell für die Politik des Schönen und der Wertschätzung an Kultur. Anschließend ging es weiter mit einem einführenden Referat von Konrad Paul Liessmann.
Einleitungsvortrag von Konrad Paul Liessmann: Vom Zauber des Schönen
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Konrad Paul Liessmann wurde 1953 geboren und ist Professor an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter der Philosophicum Lech.
Schönheit gehöre zu den umstrittensten Begriffen der europäischen Kultur. Dies ziehe sich von unserer Geburt bis zu unserem Tod hin, vom schönen Baby bis zur schönen Leich. Seit der Antike galt die Schönheit in der Kunst als entscheidendes Ziel menschlicher Kreativität und kosmischer Harmonie. Sie bildet mit dem Guten und der Wahrheit eine Trias, die unseren Bildungsbegriff bis in das 19. Jahrhundert bestimmte. Der Streit in der philosophischen Ästhetik beruhe spätestens seit dem 18 Jahrhundert auf der Frage ob die Schönheit Ausdruck einer objektiven Idee oder Reflex einer subjektiven Empfindung sei.
Die Aktualität erfahre die Schönheit durch die zeitgenössische psychologische Attraktivitätsforschung und durch die evolutionsbiologische Ästhetik.
Eine mögliche Definition des Begriffs liefere eine berühmte Fußnote des französischen Schriftstellers Stendhal in seinen Reflexionen „Über die Liebe“: „Schönheit ist nur ein Versprechen von Glück.“ Ein Versprechen garantiere jedoch keine Erfüllung. Die Schönheit erweckt Erwartungen, Begierden und Sehnsüchte, eben Leidenschaften. Und genau diese können die Schönheit auch wieder entthronen, denn im Versprechen wirke die Zerstörung, immer schwinge ein Risiko der unerfüllbaren Lust und Befriedigung mit.
Zudem sei die Schönheit kein demokratisch herstellbares Gut. Wir leben in einer Zeit wo das Glücksgefühl schon fast zu einer Pflicht geworden ist. Durch die Chemie, die Chirurgie und die Gentechnik werde vieles möglich. Noch erzeuge der Schönheitswahn weder Bestürzung oder ‚Belächelung’, noch stehe unser Qualitätsanspruch nicht im Gegensatz zur sittlichen Moral. Liessmann verwies weiter auf den englischen Philosophen Hobbes, der in der Schönheit das „Anzeichen eines zukünftigen Guten“ sah. Reflexartig erwarten wir tatsächlich im Schönen das Gute, welches uns wieder Hoffnung gibt.
In der Kunst der Moderne sei das Schöne jedoch in Verruf geraten. Die Kunst geriet in den Verdacht des falschen Versprechens, eines schönen Scheins mit doppelter Moral: „Eine Kunst, die wahr sein will, kann in einer hässlichen Welt nicht schön sein.“, so Liessmann, doch gegen Ende des 20. Jahrhunderts hätten sich Künstler wieder dem Schönen zugewandt. Der gesellschaftskritische Impuls der Moderne sei erlahmt.
Und natürlich lässt Liessmann in seinem Einführungsvortrag die griechische Antike, die wie vielleicht keine andere Kultur der Schönheit in Form von Dichtung und philosophischen Reflexionen huldigte, nicht außer Acht. Ihre Bedeutung für die europäische „Metaphysik des Schönen“ legt Liessmann durch den Dialog „Der größere Hippias“ dar, in dem Platon von einem Gespräch zwischen Sokrates und Hippias berichtet, das die Ergebnislosigkeit der Frage, was denn nun das Schöne sei, offen legt. Doch nicht die Ergebnislosigkeit wäre von wahrer Bedeutung, als dass hier vielmehr zum ersten Mal im philosophischen Sinn nach dem Schönen gefragt wurde. „Platons Verknüpfung von Schönheit und Begehren durchzieht die Debatten über das Schöne bis in die Gegenwart.“ Es sei das Schöne, das wir begehren. Es war Nietzsche, der die Möglichkeit der Gleichsetzung von Schönheit und Begehren behauptete, berichtet Liessman weiter. Also: Was wir begehren, finden wir schön. Doch Begehren vergehe, der gute Geschmack setze wieder ein und alles fiele wie Schuppen von den Augen. Hier jedoch sieht Liessmann die Bestätigung Kants, dass das Schöne nur interessenloses Wohlgefallen sei. „Nur dort, wo keine Interessen im Spiel sind, kann der Geschmack unbefangen urteilen.“ Das würde jedoch bedeuten, dass wir das Schöne nicht begehren dürften und dies sei natürlich eine Illusion.
Mit der Erkenntnis, dass das Schöne jedoch niemals das Gefällige sein könne, vielmehr eine Gesamtheit darstelle und dass der Mensch der Verführungsgewalt des Schönen einfach nicht gewachsen sei, schließt Liessmann seine ausführliche Kontroverse über das Schöne.
Buchtipp:
Konrad Paul Liessmann: Schönheit
Stuttgart: UTB Verlag, 2009. 119 S.
ISBN 978-3-8252-3048-7
(Rezension im nächsten etcetera Nr. 38)