Konferenz mit Malibu von EGYD GSTÄTTNER
Egyd Gstättner
Konferenz mit Malibu
oder: Von Leonardo DiCaprio zu Leonardo da Vinci
Das J. Paul Getty Museum in Malibu hatte mich anlässlich der Corona-Krise aufgerufen, ein Kunstwerk nachzustellen. Ich tat es gern. Man wusste natürlich, dass schreibende Menschen oft auch bildnerisch, zeichnerisch, malerisch tätig sind – von Ionesco über Dürrenmatt und Hildesheimer bis Brandstetter und, und, und – ich. Bei mir muss allerdings von Dilettantismus die Rede sein: Egal. Es ist ja nur ein Hobby. Ich „stelle Kunst“ auch nicht wirklich „nach“ (ist Nachstellen von Kunst Kunst? Und wenn ja: Wozu? Wenn doch das Nachgestellte schon existiert haben muss?) Ich entwickle die Kunst weiter: Dafür ist es aber notwendig, sie zunächst nachzustellen, also zu kopieren: Ich habe bereits Munchs Schrei, Spitzwegs und Artmanns Armen Poeten, Tischbeins Goethe in der Campagna und Hoppers Western Motel nachgestellt – immer mit mir als Hauptfigur.
Diesmal – anlässlich der Weltviruskatastrophe („Herausforderung“) - wollte ich mich aber in Bescheidenheit üben, auf mich verzichten, und habe daher das weltberühmte Bild Von der ungebrochenen Anziehungskraft der Natur des weltberühmten Tiroler Malers Max Peintner nachgestellt (bzw. weiterentwickelt), das bekanntlich ein Zierwäldchen, das über Nacht auf dem Spielfeld eines Stadions gewachsen ist (oder rund um das über Nacht ein Stadion gewachsen ist: Das ist Ansichtssache) darstellt. Jedenfalls habe ich das Wäldchen in meiner Nachbildung herausgenommen und mitten am Spielfeld durch die gerade untergehende Titanic ersetzt. Erstens wollte ich ein Zeichen setzen und auf den bevorstehenden Weltuntergang hinweisen, zweitens hat bekanntlich Leonardo DiCaprio das Stadionwaldbild geliked, und ich habe mir gedacht, da wird er mein Bild erst recht liken. In einem Hörbuch lässt sich das leider nicht so gut vermitteln, aber mein Bild ist wirklich toll (im Sinn von tolldreist) geworden, vielleicht toller (tolldreister) als das Original!
Deswegen hat mich die Absage der Getty-Museums-Mitarbeiterin Annelisa Stephan doch ziemlich enttäuscht: Sie meinte, man könne meine Arbeit einfach deswegen nicht verwenden, weil das Original überhaupt niemand kennt. Sie habe nie davon gehört – oder es gesehen! „Das kann nicht sein“, antwortete ich der Ignorantin aus Malibu, „die Bilder sind um die Welt gegangen! Doch! Ganz ehrlich! Das Bild und die Bilder vom Bild! Überall hin! Fragen Sie DiCaprio, Frau Stephan! Die Chinesen sind zwar nicht in Scharen ins mittlerweile weltberühmte Klagenfurt gekommen (im Nachhinein muss man sagen: Zum Glück!) aber – ob Sie es glauben oder nicht, Frau Stephan, insgesamt sind über zweihunderttausend Besucher gekommen, um das Wäldchen im Stadion zu sehen – allerdings natürlich jeder einzeln – so wie jetzt bei Corona! Hier waren die Pioniere des massenhaften Physical Distancing am Werk – lange bevor das Phänomen als Begriff existierte!
Es half nichts: Man wollte meine Kunstintervention For Titanic in Malibu nicht. Also nahm ich einen Landsmann, Gustav Klimt, der bereits einen Auftritt in meinem Roman Das Geisterschiff hatte, wo er meine liebe Hauptfigur gleich einmal erniedrigt und wegmobbt. Dafür konnte ich mich jetzt subtil revanchieren: Ich nahm seinen Kuss, zerschnitt ihn, trennte die Küssenden und schrieb zwischen die zwei nun sinnlos verrenkten Goldfiguren in dicken Lettern die Botschaft: SOZIALKONTAKTE VERMEIDEN! Und: NICHT INS GESICHT GREIFEN!!! Klimt war vom Podest geputzt!
Doch dann sprang mich beim Surfen ein noch viel berühmterer Schöpfer an: Das Genie Leonardo da Vinci! Ich nahm mir Die Vertreibung aus dem Paradies her (eine der frühesten bildnerischen Darstellungen eines Blowjobs), setzte Adam, Eva und der Schlange Mund-Nasenschutzmasken auf, und schnitt Eva, die Adam offensichtlich gerade zu fellatieren beginnen wollte, aus und legte sie eineinhalb Meter weg. Schließlich fand ich das Bild der Bilder in der Sixtinischen Kapelle: Die Erschaffung Adams! Da würde Malibu nicht widerstehen können! Ich setzte auch Adam und Gott dem Herrn Mund-Nasenschutzmasken auf, ebenso den kleinen Engeln, die ihn im Bildhintergrund umschwirren. Zwischen den Zeigefingern Adams und des Schöpfers schrieb ich, bevor sie sich berühren konnten: ABSTAND HALTEN!! und unter Gott den Allmächtigen: BLEIB ZU HAUSE! (BESONDERS WENN DU ÜBER 65 BIST!
Mehr ist momentan nicht zu tun. Jetzt warte ich auf Antwort aus Malibu und bin vorsichtig optimistisch, auch wenn meine Tochter mir gerade gemailt hat, irgendwo habe sie so etwas Ähnliches schon gesehen… bei Monty Python? Ach ja, die Kunst…! Aber ich kriege das schon hin!