73/Höhle: Eva Riebler interviewt die Heftkünstlerin Michaela Göttlicher
Interview der Heftkünstlerin Michaela Göttlicher
Du hast an der Angewandten in Wien Tapisserie studiert. Ist das seither (Diplom 1989) Deine Richtung?
Ja es ist der textile Moment in den Arbeiten vorhanden. Mit der Weberei habe ich ganz aufgehört.
Wieviel Gelassenheit und Geduld benötigst Du bei Deinen genauen, kleinteiligen Arbeiten?
Ich bin nicht in jedem Bereich so geduldig, aber bei der Arbeit schon. Wenn ich den Fingern die Ruhe nicht mehr habe, dann schneide ich. Es sind so viele Arbeitsprozesse nötig! Einmal geklebt, geschnitten, gefaltet, dann wieder geschnitten usw.
Steht Planung oder Intuition an vorderster Stelle?
Intuition steht an vorderster Stelle, aber es geht nicht ganz ohne Planung, damit eine Reihe nicht aus dem Ruder läuft.
Bist Du damit einverstanden Deine Werke als „Gelassenheits-Apotheose“ betiteln zu lassen?
Nein sicher nicht!
Fühlst Du Dich zeitgemäß in einer Zeit des Zynismus und Coolness, in der Innerlichkeit einen esoterischen Touch hat?
Gerade in der Zeit der Innerlichkeit finde ich diese sehr wichtig, genauso wie die Gelassenheit!
Welche traditionellen Werte in Punkto Weben/Tapisserie möchtest Du bewahren? Gelingt Dir dies in der Galerie Göttlicher in Krems/Stein, die Du seit 2000 leitest?
Seit ca. 20 Jahren gibt es die Tapisserie als Meisterklasse auf der Universität Wien nicht mehr und in meinen Arbeiten lebt der textile Charakter weiter. In unserer Galerie nehmen wir stark auf angewandte Kunst bedacht. Z.B. Schmuck- und Textildesign oder Architektur.
Du stelltest bis September 2018 in der Artothek Krems/Stein aus. Welches war Dein Lieblingswerk?
„Meine kleine Welt“ aus 2018. Das ist ein alter Setzkasten, der mit 125 kleinen Papierarbeiten bestückt ist. (siehe Foto)
Erzählst Du mit Deinen Arbeiten Geschichten?
Nein, es geht mir um das genaue Hinschauen. Von jeder Seite wirken die Arbeiten anders, unterschiedlich…
Claus Peymann meint (Presse am Sonntag 1.7.18): Natürlich sind Zorn, Erregung, Verzweiflung und Aggressivität Motoren der Kunst“. Wie siehst Du das?
Das ist sicher richtig! Genauso sind aber die Gegensätze Freude und Hoffnung Motoren der Kunst. Sowohl als auch!
Wie passt das Heftthema HÖHLE zu Deinen Arbeiten? Deine Kunst birgt Geheimnisse wie jede Höhle.
Bei dem Werk „Verborgenes“ ist als Hintergrund eine Spiegelfolie, dadurch sieht man die Fotos von Häuserzeilen teilweise gespiegelt. Wenn ich spazieren gehe, denke ich daran, wer lebt hier, wer verbirgt sich hinter diesen Fassaden etc. … Es wirkt geheimnisvoll.
Deine Werke sind mit der Wirkung von Licht und abwechselnd Dunkelheit oder Schatten gestaltet.
Ich bin mir dessen bewusst!
Deine Arbeiten haben meist eine Größe von 60x60 cm. Wie würdest Du großformatig arbeiten?
Ich täte genauso arbeiten. Die Papierelemente würden dann 25 cm breit oder hoch sein. Für eine Ausstellung in Zürich 1992 arbeitete ich so und Transport wie Lagerung sind naturgemäß ein Problem!
Bist Du damit einverstanden, dass Ratio mit Deiner Kunst wenig zu tun hat (laut Peter Lilie 2010)?
Bin ich nicht! Die Arbeiten erfordern ein mathematisches Denken. Mir war das seit ich von dem Mathematiker Taschner gelesen habe, bewusst. Nach der Matura im BRG Krems überlegte ich, ob ich eventuell Darstellende Geometrie studieren wollte (als Plan B).
Was liest Du, falls Du Muße hast?
Momentan „der 100-Jährige, der aus dem Fenster stieg“ oder was ich durch mündliches Propaganda empfohlen bekomme.
Foto: © D. Paweronschitz