Hilary Hahn: Bach, Beethoven, Brahms & Encores. Rez.: Peter Kaiser

Peter Kaiser
Bach! Bach! Bach!*

 
Foto: Peter Miller
Deutsche Grammophon
 

Hilary Hahn
Werke von J.S. Bach, Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms sowie „The Hilary Hahn Encores“

Wiener Konzerthaus, Großer Saal
13.05.2012, 19.30 Uhr
Hilary Hahn: Violine
Cory Smythe: Klavier

Es fällt schwer, spricht man von Hilary Hahn, nicht sofort von ihren einzigartigen Bach-Interpretationen zu sprechen. Obwohl sich ihr Repertoire keineswegs auf einen bestimmten Komponisten oder eine bestimmte musikalische Epoche beschränkt. Das Programm ihres Konzertes gemeinsam mit dem Pianisten Cory Smythe im Großen Saal des Wiener Konzerthauses vergangenen Sonntag, steht somit auch exemplarisch für ihre Universalität und ihre musikalische Neugier.

Zum Beispiel die ihr gewidmeten Encores. 27 zeitgenössische Komponisten und Komponistinnen hat Hahn gebeten kurze Stücke für sie zu schreiben; acht davon waren im regulären Programm zu hören. Die Namen: Nico Muhly, Lera Auerbach, Jennifer Higdon, Søren Nils Eichberg, Einojuhani Rautavaara und herausragend: Avner Dorman, Christos Hatzis und als elegischer, gar nicht encoresker Abschluss Max Richters Mercy. Die KomponistInnen wollten es dem klassischen Publikum scheint's nicht zu schwer machen: Die kurzen Stücke waren durchwegs leicht verständlich und ganz auf die Virtuosität der Interpretin zugeschnitten.

Ludwig van Beethovens Sonate A-Dur op. 12/2 für Violine und Klavier aus den Jahren 1797/98 in seiner ganzen Kunstfertig- und auch Sperrigkeit passte sich in die Collage zeitgenössischen Musikschaffens hervorragend ein. Antonio Salieri gewidmet und dementsprechend komplex und sprunghaft, wählten Hahn und Smythe eine keineswegs leichtfüßige, sondern vielmehr romantische, tongenaue und vielschichtige Deutung. Dieser beinahe skrupulösen Tonversessenheit Hahns, welche wir natürlich auch bei ihrem Bachspiel wiederfinden und die aber bei diesem nie zulasten dessen Harmonien gehen, kommt natürlich die weltweit einmalige und kürzlich mit Stellwänden am Balkon perfektionierte Akustik des Großen Saals des Konzertshauses zugute.
Um ihre Wandlungsfähigkeit ein letztes Mal unter Beweis zu stellen, spielte Hilary Hahn (und Cory Smythe bei seinem Konzerthaus-Debüt) das leidenschaftliche Scherzo aus der F-A-E-Sonate von Johannes Brahms.

Jetzt aber zu Bach:
1996/97 nahm Hahn eine CD mit dem Titel „Hilary Hahn plays Bach“ für Sony auf (SK 62793). Sechzehn Jahre später spielt sie im Wiener Konzerthaus die Sonate Nr. 2 a-moll BWV 1003 (1720). Auch wenn es kaum zu glauben ist: Ihr Ton ist noch reiner, sicherer und ruhiger geworden. Der Ausdruck noch klarer und die Interpretation noch tiefer. Ihre schon angesprochene Ernsthaftigkeit im Umgang mit jeglichem Notenmaterial war ja schlichtweg nicht steigerbar.
Man sieht und spürt vor allem, dass es bei ihrem Spiel ums Ganze geht und doch scheint alles mit ungemeiner Leichtigkeit und Anmut einfach zu passieren: Als fließe die Musik aus ihrer Violine in diesen wunderbaren Raum und umhüllte den Zuhörer vollkommen.
Hahn macht erlebbar was Musik vermag: Ein einzelner Mensch mit seinem Instrument auf der Bühne eines futuristisch anmutenden gigantischen Klangraums namens Großer Saal und die Komposition eines der größten Meister verzaubert Hunderte Zuhörerinnen und Zuhörer aus aller Welt.
Hahns und Bachs Violin-Sonaten sind so einzigartig, wie Svjatoslav Richters Wohltemperiertes Klavier oder Mstislav Rostropovitchs Cello-Suiten.
Spontaner - man möchte sagen unweigerlicher - Applaus nach der Fuga von einem völlig gebannten Publikum und Ovationen nach dem Allegro.
Worte reichen da nicht hin.

* Ausruf des russischen Filmemachers Andrej Tarkowskijs (1922-1986) kurz vor seinem Tode auf die Frage, welche Musik er noch höre.

LitGes, Mai 2012

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