69/LitArenaVIII/Interview: Jana Volkmann

Jana Volkmann, Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“, war heuer Jurorin der LitArena VIII. Cornelia Stahl stellte ihr ein paar Fragen: 

 

Jana Volkmann, Sie sind heuer eine von drei Jurorinnen der LitArena VIII, der Literarischen Gesellschaft St.Pölten? Was war Ihr erster Eindruck beim Lesen der Texte? 

Ich finde, man merkt vielen Einsendungen an, dass die Autorinnen und Autoren sich auf einer Schwelle befinden: zwischen Jugend und Erwachsensein, Arbeit und Studium oder auch Schule und Universität. Diese aufregende und instabile Zeit haben einige unmittelbar, sehr präzise und in tollen Bildern, festgehalten. Die Erzählung „Festzelt-Philosophien“ etwa bringt dieses Dazwischensein sehr anschaulich auf den Punkt: Die Erzählerin kehrt an den Ort zurück, wo sie aufgewachsen ist, aber sie weiß nicht, ob das ein Heimkommen oder doch eher ein Wegfahren ist. Ich konnte diese Entfremdung sofort nachfühlen. Es sind oft Fragen der Zugehörigkeit, die da berührt werden. 

 

Wann haben Sie Ihren ersten Text veröffentlicht und wovon handelte dieser?

Ich hatte die Erzählung „Fortune Teller Miracle Fish“, die hier (Seite 12) auch nachzulesen ist, an eine Literaturzeitschrift geschickt – die wollte sie auch prompt drucken, baten mich allerdings, hier und da ein paar Dinge zu ändern. Zum Beispiel sollte das Mädchen nicht mit einem Gameboy spielen, sondern mit einer zeitgemäßeren Konsole. Ich war außer mir! Auch den angemessenen Umgang mit LektorInnen muss man lernen. Nicht viel später, mit 26, habe ich einer anderen Literaturzeitschrift meine Kurzgeschichte „Sturmzeit“ veröffentlicht. Eine surreale und aus heutiger Sicht viel zu dick aufgetragene Geschichte über eine Frau, die zwischen ihren Hautschichten einen Sturm zu spüren glaubt. Obwohl mir dieser Text heute nicht mehr viel bedeutet, kann ich mich gut daran erinnern, wie er in der Zeitschrift aussah. Das war eindeutig ein Initationsritus, zum ersten Mal einen Text gedruckt zu sehen – von da an war ich wohl Schriftstellerin, vorher habe ich nur geschrieben. 

 

Japan beschreiben Sie als  einen Sehnsuchtsort? Welche Assoziationen verbinden Sie mit diesem Land? 

Zuerst fällt mir eine beruhigende und zugleich verstörende Ordnung ein:, viele unausgesprochene Regeln, die rücksichtsvolle Stille in einer vollen U-Bahn. Dann noch Tempel, Tee und Traubensaft. Die Schönheit der Schriftzeichen und Tatamimatten unter den Füßen. Sehr subjektive Schlaglichter also.

 

Als Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“ bekommen Sie einen guten Einblick in die gegenwärtige Literaturszene. Welche Themenfelder und Aspekte sind Ihrer Meinung nach in der aktuellen zeitgenössischen Literatur oder im literarischen Diskurs unterrepräsentiert? 

Oh, schwierige Frage! Auf den ersten Blick erscheint mir die heutige Literatur doch sehr divers, es erscheinen ja auch einfach Jahr für Jahr unglaublich viele neue Bücher. Mich stört, dass die Literaturkritik sich selbst stark einschränkt, indem fast ausschließlich die neuesten Titel besprochen werden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Buchhandlungen, die sich zweimal überlegen, ob sie die Bücher aus dem letzten Jahr noch in die Auslage nehmen. Manche Texte rutschen dadurch völlig zu Unrecht unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung hindurch – dabei sind die, die man auf den ersten Blick übersieht, auf den zweiten oft interessanter. Und Stichwort unterrepräsentiert: Wenn es nach mir ginge, würde viel mehr Lyrik gelesen. Auch die vom vorletzten Jahr.

 

Die Autorin Lydia Mischkulnig plädierte im Symposium „Bedingungen weiblichen Schreibens“ für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Welche Folgewirkungen hätte das Einlösen dieser Forderung für Sie als Autorin? 

Erst einmal möchte ich mich Lydia Mischkulnigs Forderung anschließen. Für mich persönlich würde ein festes Grundeinkommen ganz einfach bedeuten, dass ich die anderen, rein dem Geldverdienen gewidmeten Tätigkeiten zurückschrauben könnte und mehr Zeit für das Schreiben zur Verfügung hätte. Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich ein Grundeinkommen gewinnen würde, und habe an der Verlosung, die neulich kursierte, teilgenommen. Aber das Beste an der Vision ist, dass das Grundeinkommen bedingungslos für alle eingeführt werden muss, damit das mit der Egalität wirklich funktioniert. Insofern finde ich die Auswirkung auf mein persönliches Schaffen gar nicht so ausschlaggebend, sondern vielmehr die Idee einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung.

 

2017 schreibt die Stadt Linz erneut den Marianne von Willemer-Preis aus, der sich explizit an Frauen richtet. Müssen Frauen an allen Fronten für Gleichberechtigung kämpfen: sowohl in der Arbeitswelt, als auch im Literaturbetrieb? Wie sehen Sie das?

Ja, solange es keine Lohngleichheit gibt und Ressourcen ungleich verteilt werden, geht es überhaupt nicht anders. Ich würde gern sehen, dass dieser Kampf gemeinsam ausgefochten wird. Literatur entsteht ja nicht im luftleeren Raum, und ich würde den Literaturbetrieb gar nicht aus der Arbeitswelt ausklammern wollen. Idealerweise brauchen wir irgendwann keine Preise mehr, die sich ausschließlich an Autorinnen richten.

 

Vielen Dank für das Interview! 

 

Jana Volkmann 

Geb. 1983 in Kassel, hat in Berlin Literaturwissenschaften studiert und lebt seit 2012 als Autorin, Journalistin und Literaturvermittlerin in Wien. Sie ist Co-Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“. 2012 erschien „Schwimmhäute“, 2014 „Fremde Worte“ und 2015 „Das Zeichen für Regen“. Sie arbeitet an einer Dissertation über Hotels in der Gegenwartsliteratur.