69/LitArernaVIII/Interview: Elisabeth-Joe Harriet
Die Schauspielerin und Autorin im Gespräch mit Eva Riebler
Ich durfte im Juni Dich auf einer Reise zu den Moldauklöstern und nach Siebenbürgen erleben! Dir ist es ein Anliegen, Geschichten und historische Persönlichkeiten auferstehen zu lassen. Du führst seit Jahren Literaten-Touren in Prag mit Kafka, in Budapest mit seinen Dichtern, in Altaussee, Ischl, in Ebensee oder in Wien durch.
Ja hauptsächlich dort, wo die ehemalige k&k Monarchie war. Und es wird immer Literatur und die damit verbundene Musik und Kunst präsentiert. Hauptintension ist es, die Menschen dahinter erlebbar zu machen, egal ob bei Reisen oder bei Pfaden.
Dein erster Pfad war ja 2003 die Kaffeehausliteratur in Wien rund um das Café Griensteidl..
Das es leider nicht mehr gibt. 14 Jahre war es mein zweites Wohnzimmer und meine Bühne. Eine weitere Wiener Tradition demoliert! (Frei nach Karl Kraus: 1897, als das Griensteidl im Zuge des Umbaues des Michaelaplatzes das 1. Mal geschlossen wurde, schrieb Kraus den Artikel „Wien zur Großstadt demoliert“.)
Warst Du 14 Jahre im Greinsteidl unter dem Aspekt: „Ins Kaffeehaus geh`n die Leut`, die allein sein wollen, aber dazu Gesellschaft brauchen.“ (Alfred Polgar) ?
Kurz und knapp: Ja! Wobei ich das Glück hatte, eine große Gesellschaft zu haben, weil viele Menschen meinen Pfad gebucht hatten.
Und wohin ziehst Du nun?
Das weiß ich noch nicht, es wird mir mit Sicherheit etwas einfallen. Nachdem ich, wie die Literaten damals, aus dem Café Griensteidl vertrieben und der Heimatlosigkeit preisgegeben worden bin. Es war ja so überraschend. Vor allem für die Angestellten, die erst zwei Tage vorher von der Schließung erfahren haben. Menschlich gesehen ist das vom Besitzer widerlich!
Apropos „heimatlos“, so heißt ein Werk des Siebenbürgers Wolfgang Klein. In dem er schreibt, er hasse die Touristen.—Dein Zugang ist ja ein ganz anderer.
Ich kreuze touristische Pfade und der menschliche Faktor, nicht die Sehenswürdigkeit, steht im Vordergrund.
Wie gehst Du arbeitstechnisch bei deinen Vorbereitungen vor?
Ich fahre prinzipiell nur in Länder, in denen ich persönliche Freunde und Bekannte habe, die meinen Gästen und mir Einblicke hinter die Kulissen geben können!
Die vorbereitenden Reisen mache ich nur alleine, um mich meiner Intuition völlig zu überlassen, die mich immer mit den richtigen Menschen zusammenbringt.
Wie groß ist Dein Vorrat an Anekdoten im Kopf?
Mit meinen Programmen und historischen Figuren, die ich darstelle und mit dem, was ich durch Reisen und Pfade dazugelernt habe, kann ich 24 Stunden und mehr durch erzählen!
Du schlüpfst ja auch in historische Figuren, wie Constanze Mozart, die „Rote Erzherzogin“ (Tochter von Kronprinz Rudolf) oder derzeit in eine Tochter Maria Theresias. Wer schreibt dafür die Manuskripte?
Niemand! Ich schreibe mir einen Ablauf, da ich diese Figuren ja zumeist in Museen spiele, um zu wissen, welche Thematik zu welchem Ausstellungsstück passt. Der Rest ist Lesen über und Hineinleben in die Figur! D. H., dass ich mir selbst oft mein Leben als diese Figur erzähle. Das sind meine Proben! Nur dann kann es authentisch rüberkommen! Und es scheint zu funktionieren, denn das Publikum spricht mich mit „Hoheit“ oder „Frau Mozart“ an.
Viel wichtiger als ein Manuskript zu schreiben ist es, sich in die Gefühlswelt einer Person hineinzuversetzen. Auf diese Art und Weise hat jede dieser Figuren eine andere Stimme und eine andere Diktion!
Das Schreiben ist Dir aber sehr wichtig!
Ja von dem Moment, in dem ich der Schrift mächtig war, und das war früh, kam der Drang des Schreibens über mich.
Dein erstes Werk?
Das erste, an das ich mich erinnere, zur Zeit der Volksschule, ich war bereits an der österreichischen, war Thema eines Aufsatzes „Ein Wassertropfen erzählt“ und ich hab nicht mehr aufgehört zu schreiben. Meine Schulzeit endete mit der Deutsch-Matura mit dem Titel „Hunger nach …“ Ich verfasste zuerst die vorgegebene Arbeit von 6 Seiten und dann blieb ich sitzen und schrieb weiter…
ES schreibt DICH!
Das ist mein Glück! Ich wundere mich selber, ich kann mich hinsetzen und es fängt an zu fließen. Ich kann mich dem Schreiben hingeben.
Wie war das bei Deinem letzten Werk „Bleib du mir künftig vom Leibe. Nie abgesandte Briefe von Frauen an Männer. Ein weibliches Decamerone“, Verlag Austria Nostra 2017, wo du Stichworte oder Briefe von Erlebnissen zum Thema Liebe von Anderen bekommen hast?
Es war ähnlich, ich hab mich in die Situation, die mir erzählt wurde, eingefühlt, und in Worte gefasst. Es ist wieder ein Charakter, den man entstehen lässt. Dadurch wurden die Geschichten so unterschiedlich!
Du liebst eine Prise Sarkasmus?
Ja eine Mischung aus Sarkasmus, Ironie oder Skurrilität und Melancholie.
Welche Geschichte wurde nie abgesandt?
Das verrate ich nicht, denn es gibt einen Preis zu gewinnen, unter denen, die es erraten haben.
In dem Band kommen auch junge Menschen zu Wort. Warum wählst Du für deine literarischen Reisevorträge keine Texte von Jungliteraten aus?
Sie kommen vor, weil ich Bücher herausgegeben habe, z.B. bei dem Wettbewerb BUCHSTABENSUPPE, den ich kreierte und gemeinsam mit dem Arcotel Wimberger machte. Auf meinen Reisen und Pfaden kann ich die noch unbekannten nur einfließen lassen, denn die bekannten Autoren sind es, die das Publikum hören will.
Welche Hauptrichtung haben die in Deinem Verlag Austria Nostra herausgegebenen 30 Werke?
Vor allem sind es literarische Führer, Begleitbücher zu meinen Lesungen und Performances oder um AutorInnen vor dem Vergessen zu bewahren, wie z.B. Felicitas Frischmuth-Riedl, eine Tante von Barbara Frischmuth.
Dein Lieblingsautor ?
Herbert Rosendorfer!
Weil?
Skurril, intelligent, viel wissend und unendlich kreativ. Ich hab ihn ja persönlich gekannt und wir waren befreudet. Er hat ein Stück für mich geschrieben und bei mir zu Hause aus seinem Werk gelesen. Das war sehr berührend!
Dein Lieblingsland?
Insgesamt ist es schwierig, sich auf nur einen Autor oder ein Land festzulegen.
Das ehemalige k. u. k. Europa, würde ich sagen. Allen voran Bosnien und Herzogewina, für das mein Mann und ich ja auch das Honorarkonsulat haben.
D.h., wo machst Du Urlaub?
Heuer in Berchtesgaden und in der Mark Brandenburg. Natürlich bereite ich eine Entdeckungsreise vor und zwar auf den Spuren von Theodor Fontane durch die Mark Brandenburg. In Berchtesgaden lasse ich die Seele baumeln an den Sichtfäden, die ich auf den Watzmann werfe.
Dann bedanke ich mich ganz herzlich und wünsche Dir viel Muße und Inspiration!