Umweg / Etcetera 86 / Heftkünstlerin / Renate Gruber-Felkel

Das interview führte die Herausgeberin Eva Riebler

Liebe Renate, ich kenne Deine großformatigen Acrylarbeiten nun seit über 15 Jahren. Du bist Dir, meiner Einschätzung nach, immer treu geblieben in Stil und Malduktus – wie siehst Du das?
Meine Arbeitsweise entwickelt sich stetig, je nach Thema, das ich mir stelle. Auch mit dem Wechsel von Materialien, z. B. von ursprünglich Acryl zu Öl, verändern sich Stil und Duktus, die  Grundzüge bleiben eher konstant. Anfangs experimentierte ich oft mit Schrift und Zeichen, jetzt steht das Spiel mit Farbe im Vordergrund.

Was willst Du durch Deine Bilder vermitteln?
Ich möchte die BetrachterInnen in Farbwelten eintauchen lassen. Ich stelle es dem Publikum frei meine Bilder wahrzunehmen oder selbst zu interpretieren. Das hat dann wenig
mit meiner Intention zu tun, sondern ist ein Spiegel der eigenen Persönlichkeit. Es ist übrigens nie meine Absicht Widrigkeiten, psychologische Schwierigkeiten, Krieg etc. aufzeigen.

Ist die Übermalung ein wesentlicher Bestandteil? Kann man sagen Prozess statt Planung?
Ja, Prozess, nicht Planung. Ich suche oft sehr lange nach einem passenden Thema. Das kann ein Gedichtzyklus, eine bestimmte Farbe oder ein Musikwerk sein. Ich habe dann eine vage Vorstellung, wie das umzusetzen wäre. Und in dieser Phase kommt es zu vielen Übermalungen. Ist dann eine Arbeit halbwegs entsprechend meinem Gefühl, arbeite ich seriell und sehr schnell.
Im besten Fall bin ich dann in einem mentalen Zustand völliger Vertiefung, wo das Malen wie von selbst vor sich geht. Aber das ist leider nicht immer so, sondern oft harte Arbeit.

Gibt es bei Dir ein Bauchgefühl? Was sagt es Dir? Oder anders gesagt: Wie lange reflektierst Du vor einem Bild?
Das Bauchgefühl ist für mich ein eindeutiger Indikator, ob ein Bild fertig ist. Manchmal dauert die Reflexionszeit sehr lange. Ich höre dabei eigentlich immer Musik, meist Jazz und Klassik, wobei oft Inspiration entsteht.

Stellst Du ein Motiv auf den Kopf, damit Du abstrakt siehst und fühlst oder heiligst Du es, indem Du es auf ein Podest stellst?
Abstraktes Sehen fällt mir eher leicht. Ab und zu drehe ich ein Bild um, weil sich dann ganz andere Perspektiven eröffnen und ein kreativer Prozess wieder in Schwung kommt.
Auf ein Podest stelle ich eigentlich nichts. Auch das letzte Bild einer Serie ist nicht mein Lieblingsbild, sondern die in der Mitte sind eigentlich die spannendsten Werke, wo es richtig fließt. Bei der letzten Arbeit merke ich, dass das Thema ausgeschöpft ist.

War Corona für Dich eine Zäsur im Schaffen?
Nein, war es nicht. Im Gegenteil, ich habe es sehr geschätzt völlig ungestört konzentriert arbeiten zu können. Allerdings glaube ich, ohne Beschäftigung mit Kunst und Kreativität wäre es eine schwierige Zeit geworden.

Bist Du auf den digitalen Zug der Kunstvermarktung aufgesprungen?
Nein. Es fehlt mir die technische Kompetenz und ich habe mir auch nie die Zeit genommen, diese zu erwerben. Das soll jemand anderer machen! Ich male lieber!

Spürt man in Deinen Bildern die Angst oder Unsicherheit dieser Zeit des Lockdowns? Anders gefragt: Findest Du in Zeiten des Stillstandes schnell zu Deiner Identität wieder zurück?
Ich konnte schnell zu meiner Identität finden, da es wenig Störungen, Verpflichtungen von außen gab. Allerdings ist der Arbeitstitel dieser Zeit „paradise lost”. Das empfand ich grundsätzlich so. Ich beschäftigte mich mit dem Paradies aus dem Alten Testament, bin aber nicht dahinter gekommen.. Eigentlich ist „paradies lost”eine Fortsetzung der Serie die „Schöpfung”.

Unser Heftthema ist UMWEG, gab es so etwas in Deinem Leben als Künstlerin?
Ja, es gab viele Umwege: Mit Fünfzehn nötigte eine Zeichenprofessorin meine Mutter, mir doch Acryl-Staubfarben zu kaufen. Ich bekam sie, jedoch kein Papier. Also bemalte ich die Wände meines Kinderzimmers. Den alten Kasten und weitere Möbel vom Dachboden. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Es war Pop-Art. Ich behaute dann Ytong-Steine…. Meine Mutter war überhaupt nicht begeistert.
Und so verlor ich den Faden zur Bildendenden Kunst und wollte lieber Lyrikerin werden. Zur Lyrik zog es mich aus Freude an der Sprache, aber ich konnte gute Texte nur verfassen, wenn es mir sehr schlecht ging. Und das war mir auf Dauer zu mühsam und zu deprimierend.
Es hat sehr lange gedauert, bis ich nach zahlreichen jugendlichen künstlerischen Experimenten wieder zur Kunst zurückgefunden habe. Ich war schon fast 40 Jahre alt, als ich durch Zufall mit dem Werkstoff Ton in Verbindung gekommen bin. Und ich war sofort ‚süchtig‘. Als Autodidakt entstanden nach etlichem Lehrgeld sehr viele figurative archaische Skulpturen.

Was hast du mit diesen Skulpturen gemacht!
Sie füllen ein ganzes Zimmer und warten auf eine Entdeckung oder Auferstehung!
Dann entdeckte ich mit derselben Leidenschaft wie davor zur Keramik den Werkstoff Gips und minimalistische Assemblagen entstanden. Diese Arbeiten sind wegen des Staubs nur in einem Atelier, das ich nicht hatte, oder im Garten möglich. Ja, und dann kam der Herbst….
So begann ich kleinformatig zu malen. Und da war fast alles Umweg. In jeder freien Minute, zeichnete, malte ich neben Familie, Beruf. Nach über einem Jahr war das erste Mal ein Bild für mich halbwegs in Ordnung. Es hat noch lange gedauert, bis ich ‚meinem‘ Stil, die Art, wie ich malen will, auf die Spur gekommen bin. Es mussten Entscheidungen gefällt werden wie z.B. abstrakt oder figurativ, minimalistisch, Schrift, Linie, Fläche...
Rückblickend sehe ich jeden ‚Umweg‘ als Prüfung. Bin ich wirklich Malerin? Finde ich die richtige Richtung bei Wegkreuzungen? Ich denke, es gehört eine gute Portion Glück dazu, viel Streben, viel Leidenschaft um den richtigen Weg zu finden. Im Wort Leidenschaft ist LEIDEN enthalten.

Wer ist Dein Lieblingsmaler, Deine Lieblingsmalerin?
Cy Twombly, den ich über seine Skulpturen entdeckt habe, und dann in seine Bilder eingetaucht bin. Und Emil Nolde, dessen Farbgefühl ich bewundere und mich immer wieder an mir zweifeln lässt.

Was wolltest Du als Interviewfrage eigentlich gestellt bekommen?
Frage A: Welche Musik hörst du gerne?
Meine Malerei, mein Leben, ist immer von Musik begleitet. (JEDE – beinahe jede. Am liebsten h-Moll Messe / Bach, überhaupt Messen; Jazz (je schräger, desto lieber);
Sängerinnen – Oper, Jazz.
Frage B: Woher kam Deine Leidenschaft zur Kunst? Es ist mir mitgegeben worden. Ich bedanke mich dafür und sage einfach: Es ist Gnade!

Dann darf ich mich für das Interview und der Zurverfügungstellung Deiner schönen Bilder herzlich bedanken!

Renate Gruber-Felkel
Geb.1956 in Wien, aufgewachsen in Hofstatt am Anzbach, wo sie jetzt wieder lebt. Verheiratet, zwei Töchter, Katz und Hund, Garten und Musik.
Ausstellungen: Fuhrwerkerhaus Eichgraben (Keramik) 1998
Minoritensaal Tulln (anl. NÖ Buchwoche) 2006 und 2008
Galerie Lieglweg Neulengbach 2012 und 2019 diverse Atelierpräsentationen.