Stein / Etcetera 89 / Heftkünstlerin / Maja Ettinger-Cecic
„Ich wäre fast am Schiff zur Welt gekommen“, verriet Maja Ettinger-Cecic. Sie sprach über den „Krowotenwind“ und ihre künstlerische Arbeit mit Cornelia Stahl.
Liebe Maja, du bist in Split, einer sehr steinigen Stadt, geboren, direkt an der Dalmatischen Küste, und mit 21 Jahren nach Wien übersiedelt. Wie war das für dich?
Dazu muss ich sagen, dass ich fast am Schiff zur Welt gekommen bin. Meine Eltern haben in Maly Losinji (Kroatien) gelebt, mein Vater hat dort unterrichtet an der Marineschule. Die Ärzte sagten zu meiner Mutter: „Das wird eine wahnsinnig schwierige Geburt! Sie müssen nach Split, denn dort ist die Geburtsstation viel besser ausgestattet“. Mein Vater hat dann meine schwangere Mutter auf den Kutter verfrachtet und sie nach Split geschickt. Er ist nicht mitgefahren. Damals war Kinderkriegen noch Frauensache. Und um ein Haar wäre ich auf dem Schiff zur Welt gekommen.
Ist die Sehnsucht nach dem Meer nach wie vor in dir verankert?
Es ist nicht nur das Meer, es ist das Wasser an sich. Ich glaube, wir kommen aus dem Wasser, sind Teil des Wassers. Und das ist so wichtig für mich. Wir bestehen achtzig Prozent aus Wasser, das vergessen viele. Sobald ich in der Nähe des Wassers bin, spüre ich diese Kraft und da fühle
ich mich zu Hause.
Du hast an der Akademie der Bildenden Künste in Wien studiert. Wurden dir als Künstlerin und als Zugereiste Steine in den Weg gelegt?
Auf der Akademie sprachen wir nur Englisch, weil ja Studenten aus verschiedenen Ländern dort studierten: aus China, den Philippinen, aus Russland, Bulgarien und Amerika. Mit mir wurden in diesem Jahr drei Frauen aufgenommen. Ständig war irgendwer in jemanden verliebt. Das Steinige war der männliche Chauvinismus. Man musste damit umgehen können. Dann konnte man alles machen.
Gab es Momente des Widerstandes gegenüber diesem männlichen Chauvinismus?
Man darf nie direkt gegen sie vorgehen. Es gibt andere Möglichkeiten, wie man sie kleinkriegen kann. Das wird wahrscheinlich immer so bleiben, so lange Männer Männer sind. Es ist immer unpassend, wild um sich zu schlagen. Es gibt ganz andere Möglichkeiten, wie man sie (die Männer) „bearbeiten“ kann.
Künstler*innen haben es schwer, Männer und Frauen gleichermaßen. Wenn jemand ein Bild verkauft und der andere das mitkriegt, ist es unweigerlich, dass er angefressen ist. Das ist keine geschlechtsspezifische Angelegenheit. Jeder Mensch glaubt, er ist ein Künstler. Jeder kann malen oder schauspielern. Es entsteht ein Überangebot. Jene, die die Kunst professionell betreiben und vermarkten, treten untereinander in Konkurrenz und kämpfen.
Wie gehst du mit dieser Konkurrenzsituation um?
Ich glaube, ich habe ganz gute Fühler. Ich habe nicht viele Freunde. Jene, die ich als Freunde bezeichne, sind wirkliche Freunde. Und mit denen umgebe ich mich. Die anderen versuche ich von mir fernzuhalten.
Die Verbundenheit zur Natur spürt man beim Betrachten deiner Bilder. Wer hat diese Innigkeit zwischen Mensch und Natur in dir geweckt?
Es hängt sicher damit zusammen, wo man auf die Welt gekommen ist. Wenn man auf einer Insel spazieren geht, entdeckt und erlebt man so viel Natur, auch grausame Natur, dass sie Teil von einem wird. Meine Mutter war auch sehr tierlieb. Und zu Hause gab es ständig irgendwelche Tiere. Mein Großvater war Fischer. Wir hielten uns früher einen Esel. Er gehörte einfach dazu.
Wenn ich in der Natur bin, fühle ich, wie sich meine Batterien aufladen. Ich liebe Menschen, Natur und Kunst. Es ist eigentlich eine Symbiose. Ich kann sie nicht voneinander trennen, sie bilden eine Einheit: Natur und Mensch.
Fehlt dir die Natur, da du in einer Stadtwohnung lebst?
Ich war mit meiner Tochter im Belvedere. Nach der Vernissage saßen wir im neu bepflanzten Garten. Der Himmel war barock, fast schwarz, rot, rosa, und es war herrlich. „Ich liebe diese Stadt“, sagte ich zu meiner Tochter. Moderne Städte mag ich nicht, aber Wien hat so viele Details. Ich fühle mich hier unheimlich wohl. Und es ist mir wichtig, mich mit Dingen zu umgeben, die eine Ästhetik ausstrahlen. Die Fähigkeit des Menschen, Schönheit zu schaffen, ist keinem anderen Lebewesen eigen.
Körperlichkeit dominiert in deinen Bildern: üppig und kraftvoll erscheinen die Sujets. Welche Überlegungen gingen dem künstlerischen Gestalten voraus?
Du siehst hier (an den Wänden) Renaissancefiguren. In der Renaissance (Zeitraum: ca. 1420 – 1520/30- Anm. d. Verf.) steht der Mensch im Mittelpunkt, und das ist für mich besonders wichtig. Ich finde, dass Körperlichkeit etwas unheimlich Schönes ist. Seine Verlobte, die ihn nicht wollte, zeigte sein Hinterteil. Und das blieb so. Dieses Bild habe ich gemalt. Diesen Brunnen haben sie zunächst abgebaut. Es ist der „Donnerbrunnen“ (1737 geschaffen von Georg Raphael Donner – Anm. d. Verf.) ist heute verortet. Am Neuen Markt, im ersten Wiener Gemeindebezirk. Maria Theresia wollte ihn einschmelzen lassen. Gott sei Dank, haben sie es nicht gemacht.
In der Ausstellung „Reisende- Angst vor der Tiefe“ (2014) greifst du die Kurzgeschichtensammlung des Italieners Dino Buzatti auf, in dessen Mittelpunkt ein Seeungeheuer namens Colomber steht. Erzählen ist neben dem Malen auch eine Leidenschaft von dir. Sehe ich das richtig?
Ja, Ich verschlinge Bücher, ich bin ein Leseungeheuer, und ich war es eigentlich immer. Und wir erhielten in Kroatien wirklich eine sehr gute literarische Ausbildung, wer es annehmen wollte. Der Kanon war sehr breitgefächert: sowohl westlich orientierte Literatur gehörte dazu wie auch politisch Links orientierte Schriftsteller. Die Menschen standen oft vor der Entscheidung: Sollen sie sich ein paar Schuhe oder ein paar Bücher kaufen. Das ist eine Bücherlesekultur, die man hier in Österreich nicht vorfindet. In Split, am Hauptplatz, gab es einen Verkäufer, der Bücher angeboten hat. Und man konnte bei ihm auch Bücher in Raten bezahlen. Ganze Bibliotheken kaufen. Und die Leute haben das wirklich gemacht. Es ist traurig, dass junge Menschen derzeit wenig Gebrauch davon machen. Vielleicht lernen sie Literatur in der Schule kennen, aber im Elternhaus wird kaum noch gelesen.
Das Bearbeiten von Material wie Ton, Stein oder Modelliermasse spiegelt sich in der Figur „Principessa“. Könntest du etwas zum Hintergrund dieser Arbeit sagen?
Das ist eine bewegliche Puppe. Aber hast du eigentlich den Köder schon gesehen? Wenn nicht, zeige ich ihn dir jetzt. (Die Künstlerin zeigt die in der Wohnung aufgestellte Figur „Principessa“. Das Ding bewegt sich. Dann kommen andere Fische und schnappen zu. Meine Idee dazu war, die ganze Situation zu vermenschlichen. Dasselbe Prinzip bezieht sich auf die „Principessa“. Ich bin zwar eine emanzipierte Frau, aber ich weiß auch, dass wir Frauen eine ungeheuer große Macht haben. Und es ist schade, wenn Frauen diese negieren und wenn sie sie nicht anwenden wollen und ihre Macht verschmähen, die Macht der Weiblichkeit. Das ist auch ein Thema, das mich immer wieder bewegt. Deshalb der Köder.
Was diente als Vorlage für die Principessa?
Vorlage gab es keine. Das ist eine Frau an sich. Es ist so eine Art Urfigur wie die Venus von Willendorf. Das ist die Frau! Das Weibliche.
Jetzt komme ich zurück auf den Krowotenwind, von dem du mir erzählt hast. Kannst du das noch näher ausführen?
In Wien haben wir eine besonders gute Luft. Grund dafür ist der Wind. Meine Mutter trug in den 1960er Jahren eine Damenfrisur, die damals in Mode war, aufwendig auftoupiert. Kaum ging sie aus dem Haus, kam ein Windstoß und die Frisur war hinüber.
Im Vergleich zu Graz haben wir eine sehr gute Luft. Grund dafür ist der „Krowotenwind“. Krowoten kommt von Kroaten. Das ist kein Schimpfwort, aber sie sind etwas Besonderes. Sie sind anders, auch wenn sie seit fünfhundert Jahren hier (in Wien) leben.
Es gibt viel was ein bisschen komisch ist, und so ein Südwind, bewirkt, dass man ein bisschen komisch wird. Den Begriff „Krowotenwind“ finde ich wunderschön und ich veranstaltete einmal ein Projekt, das auch gefilmt wurde: Ich habe nautische Fahnen bedrucken lassen mit Motiven von meinen Bildern und hängte sie an verschiedenen Stellen in Wien auf, zum Beispiel neben der Brücke. Sieben Fahnen waren es insgesamt, auch beim „Haus des Meeres“.
„Brotjobs und Literatur“ skizzieren die Mühen des Literaturbetriebes. Welche Felsbrocken musstest du beiseite räumen, um erfolgreich zu werden?
Ich ließ mich von niemandem beirren, ich habe einen Schädel wie Beton. Ging immer geradeaus, arbeitete auch in der Secession. Damals sagte der Direktor zu mir „Wie kann man heutzutage noch gegenständlich malen!“. In den 1980er Jahren gab es eine Strömung in der Bildenden Kunst, die auch politisch sehr gefördert wurde. Es ging um Aktionismus, mit teilweise merkwürdigen Kunstformen, zum Beispiel Nacktheit in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Alles, was mit handwerklichem Können zu tun hatte, galt als unmodern. Man bekam keine Stipendien, wenn man sich dem Zeitgeist entgegenstellte. Ich habe mich davon distanziert, denn ich erlebte Künstler*innen, die sich zwar unterordneten, aber zirka fünf Jahre später vom Kunstmarkt verschwunden waren.
Modeerscheinungen in der Kunst gab es immer und wird es auch immer geben.
Maja Ettinger-Cecic
Geboren 1962 in Split, lebt seit vielen Jahren in Wien. 1983 bis 1987 Akademie der Bildenden Kunst in Wien.
https://maja-ttinger-cecic.jimdofree.com/biographie/