Doron Rabinovici: Die Außerirdischen. Rez.: Klaus Ebner
Klaus Ebner
Ein außerirdisch gutes Buch
Doron Rabinovici: Die Außerirdischen
Roman, 256 Seiten
Suhrkamp, Berlin 2017
ISBN 978-3-518-42761-3
Außerirdische haben die Erde besetzt. Über Nacht. Dass keiner von ihnen zu sehen ist, tut nichts zur Sache, denn die Menschheit übt sich in vorauseilendem Gehorsam. Der Köder sind materieller Wohlstand, sagenhafter Reichtum, der Sieg über Krankheiten und das Ende aller Kriege. Dafür sind die Menschen bereit, Spiele auf freiwilliger Basis zu veranstalten, deren Verlierer geschlachtet werden und auf der Speisekarte der Außerirdischen landen. Denn die wollen das. Angeblich.
Anfängliche Empörung wird rasch vom Tisch gewischt, denn es geht ja um die Wohlfahrt der ganzen Menschheit. Da zählen die paar Opfer nicht, die sich überdies freiwillig melden.
Sol ist Reporter eines elektronischen Gourmet-Magazins, das zum richtigen Zeitpunkt zur medialen Drehscheibe rund um die Außerirdischen – die nach wie vor keiner gesehen hat – mutiert. Das neue Format war zwar Sols Idee, doch er ist es, dem immer unwohler wird und der mit der neuen Politik der Menschenopfer im Grunde nicht kann.
Das Buch ist überaus vielschichtig: Da klingen Wirtschaftskrisen und Finanzblasen ebenso an wie unbarmherzige Medienspektakel, Terrorismus und Diktatur. Das angebliche Ferienparadies, in das die Schlachtopfer vor ihrer Tötung gebracht werden, erweist sich als eine Art Konzentrationslager, und die vielen Anlehnungen an die Ereignisse in den Nazi-KZs lassen einem den Atem stocken. Hier kam mir der Gedanke: Doron Rabinovici hat ein Buch über die Shoah geschrieben, ohne über die Shoah zu schreiben. Und zudem ist das nur eine von zahlreichen Facetten.
Ob es die Außerirdischen wirklich gab, bleibt offen. Denn kein Feind des Menschen ist schrecklicher als der Mensch selbst. Kurz gefasst würde ich diesen Roman so charakterisieren: aufwühlend, tiefsinnig, spannend. Ein Glücksfall der Literatur. Bitte lesen!