Christa Nebenführ: Den König spielen die anderen
Christa Nebenführ:
Den König spielen die anderen
Klever Literatur
Wien 2022, 234 Seiten
ISBN 978-3-903110-94-6
Vorne auf dem Buchdeckel steht Roman. Hinten steht: Dies ist kein Roman, vielleicht ist es ein Lokalaugenschein.
Ein Lokalaugenschein findet am Ort des Verbrechens statt, eines romanhaften Verbrechens, das Familie heißt.
Die Ich-Erzählerin Hermi ist Enkelin einer depressiven Großmutter, Tochter einer suizidalen Mutter und selbst depressiv. Zentrum des Geschehens ist aber die dominante, unzugängliche Vaterfigur, der König, den titelgebend die anderen spielen, denn ohne bereitwillige Gefolgschaft ist auch ein König nichts. Diese Erkenntnis stammt von dem unberechenbaren Tyrannenvater selbst, ein Exempel, wie das Patrirchat gemacht, gespielt, ermöglicht wird und wie es sich Gefolgschaft verschafft.
Üblicherweise organisieren Romane ihren Stoff, hier stürzt das Geschehen ungeordnet mit schicksalshafter Wucht auf den Leser ein. Der Autorin wie dem Verlag ist zu gratulieren, eine derartige Direktheit zu wagen, die gefangen nimmt. Der Text, zerrüttet wie die Familienverhältnisse, zittert vor Wut und Empörung über die Wutanfälle des Vaters, ohne diese Parallele ernsthaft in Betracht zu ziehen. Das sich selbst und den Umständen Ausgeliefertsein erfasst auf beeindruckende Weise bei der Lektüre auch den Leser. Es ist nicht unwahrscheinlich, Triggerwarnung, dass Bilder der eigenen Kindheit beim Lesen hochkommen.
Der Markt war überfüllt mit Me-Too-Geschichten, die Geschichte vom König ist keine. Der Missbrauch ist ein anderer, er ergibt sich aus der Struktur der Familie und steht damit in einer anderen Tradition. Die Geschichte zeigt, wie Kinder sich in die Konflikte ihrer Eltern hineinziehen lassen, das Geflecht von Distanzierung und sich doch verpflichtet fühlen.
Eigentlich geht es hier um vier Generationen von Frauen, die Autorin Hermi hat ja zwei Töchter. Es ist zu hoffen, dass die sich solchen Strukturen zu entziehen vermögen.