Buch

Michael Ziegelwagner: Als der Teufel gegen den Bischof Krenn beim Schnapsen verlor

Gabriele Müller

Michael Ziegelwagner:
Als der Teufel gegen den Bischof Krenn beim Schnapsen verlor

St.P. Literaturedition NÖ
2022, 136 Seiten
ISBN 978-3-902717-66-5

Bereits das Cover ist einladend und verleitet alle Illustrationen der 1980 in Istanbul geborenen Purkersdorferin Cansu Yakin in einem Rutsch anzuschauen. Dann aber zieht einen gleich der erste humorvoll pointierte Satz Michael Ziegelwagners in den Text. Er hat sich angeblich auf Spurensuche nach alten Sagen seiner Heimatstadt gemacht. Bzw. beantwortet er Fragen, wie: Inwiefern der Höllenfürst und Bischof Krenn vom selben Schlag sind, das Rathaus rosa ist, oder warum es in der Stadt lange Zeit einigermaßen eigenartig gerochen hat.
In 28 Erzählungen mit feiner Ironie und schöner Sprache hilft er der „geheimnisvollen Stadt endlich ins Reich der Mythen.“ Er berichtet etwa von einer Gestalt, die bisweilen aus den Fluten der Traisen empor taucht. Das ist der Haslinger Rudi, der im Rausch die Traisenbrücke nicht gefunden hat.
Die armen St. Pöltner blicken neidisch nach Wien, wo es nicht nur einen Dom, sondern auch das Donauweibchen gibt. Wie sie schließlich zu einem Traisenwaibchen kommen, zur besseren Vermarktung mit „ai“ geschrieben, ist vergnüglicher als die biedere Sage aus der Bundeshauptstadt.
Als Luzifer noch jung war, spazierte er öfters durch St. Pölten auf der Suche nach möglichen Teufeleien. Er kam gerade recht, als der Grundstein zum Hippolytkloster gelegt wurde. Mit seiner Hilfe ist der Bau schon am Nachmittag fertig. Für wen die Sache gut ausgeht, ob überhaupt, und warum der Magistrat erst 1982 einen höllengelben Riss aus dieser Zeit zuspachtelt, soll nicht
verraten werden.
Jahrhunderte später, es wird gerade das neue Regierungsviertel gebaut, verirrt sich der Höllenfürst erneut in die Stadt an der Traisen. Ehe er sich ans Bauen macht, schließt er einen Pakt mit dem Landeshauptmann. Warum der Satan trotz des teuflisch raschen Baufortschritts schließlich doch ohne den vereinbarten Lohn zurück zur Hölle fährt, ist einer der vielen Pointen, dieses ausgesprochen originellen Buches.

Bernhard Strobel: Nach den Gespenstern

Gabriele Müller

Bernhard Strobel:
Nach den Gespenstern.

Erzählungen
Graz: Literaturverlag Droschl
2021
176 Seiten
ISBN 978-3-99059-086-7

In den dreizehn Geschichten Bernhard Strobels passiert nicht viel. Vielleicht liest man sie deshalb gespannt bis zum Schluss. In der Erzählung „Über Geister“ betritt der Nachbar auf ungewöhnliche Weise sein Haus.
Wer klettert schon über den eigenen Zaun, wenn er nach Hause will? Der Ich-Erzähler ruft die Polizei, wird aber bald von schlechtem Gewissen geplagt. Er weiß so gut wie nichts über die Menschen im Dorf. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er dieses Nichtwissen begrüßt. Zweifel plagen ihn nun, ob in seiner abgeschotteten Lebensweise nicht eine Art Unmenschlichkeit wohnt. Durch den vermeintlichen Einbruch dringt Außenwelt in seine Monotonie, eine Art Neugier entsteht. Erstmals betritt er das Wirtshaus im Ort, wo schon der Nachbar sitzt.
Vielleicht ist es eine Begegnung mit sich selbst, sehr erfreulich ist sie nicht.
Strobel, Übersetzer aus dem Norwegischen, beendet sie mit skandinavischem Krimiflair, Genaueres über den Täter wird nicht bekannt.
In „Das falsche Gebiss“ haben die Großeltern das Kind immer gemeinsam zu Bett gebracht. Die Oma hat vorgelesen, der Opa ihm über den Kopf gestreichelt. Daran denkt die Großmutter nun vor dem offenen Sarg mit Opa, samt falschen Zähnen. Sie macht sich Sorgen um das Kind neben ihr. Nur sie weiß, was die Enkelin in ihrer Lade versteckt. Nur sie weiß, wie oft das Mädchen nachts neben Opas Bett gestanden ist und nichts weiter tat, als zu schauen. Sie hat das Kind nie danach gefragt, damit der Großvater nicht aufwacht. Jetzt ist er tot. Die Antwort entscheidet der/die Leser/in.
In der Geschichte „Die Tür“, meint der Erzähler, die Frau am Balkon wolle springen. Sie aber hält ihm die Glastür auf. Je länger er neben ihr steht und sie betrachtet, umso seltsamer erscheint sie ihm. Dabei denkt er bloß über sich selber nach. Zum Abschied macht sie etwas, womit er nicht gerechnet hat. Darüber schweigt er nicht. Er ist doch kein Gentleman.

Paulus Hochgatterer: Fliege fort, fliege fort

Gabriele Müller

Paulus Hochgatterer:
Fliege fort, fliege fort

Deuticke in der Wien: Paul Zsolnay
2019
251 Seiten
ISBN 978-3-552-06406-5

„Come in“. Im Morgengrauen wird Tobias von seinem Vater, dem Psychiater Raffael Horn, bei der Scheune mit einer Axt in der Hand angetroffen. „Was hast du vor?“, fragt Horn. „Ein paar Leute erschlagen“, ist die Antwort. Das tue man doch um diese Zeit. Irgendwie scheint der Sohn des Fachmanns für menschliche Abgründe in die mysteriösen Vorgänge verwickelt, die sich in der Kleinstadt Furth am See ereignen.
Erst behauptet ein alter Mann, vom Baum gefallen zu sein; seine Verletzungen weisen aber auf Schlimmeres hin. Ein rechtsradikaler Bursche geht während der Fronleichnamsprozession durch das Geschoß einer Steinschleuder zu Boden. Dann wird eine ehemalige Ordensschwester aus dem Seniorenheim ins Spital eingeliefert. Ihr sei ein wenig schlecht geworden. Der Mageninhalt weist jedoch auf ein ungewöhnliches Abendessen hin.
Schließlich ein Mädchen entführt.
Wie in den beiden Vorgängerromanen, „Die Süße des Lebens“ (2006) und „Das Matratzenhaus“ (2010), ermitteln Kommissar Kovacs und Psychiater Horn. Es stellt sich heraus, dass die Ereignisse in ein ehemalige Kinderheim zurückreichen.
Einer der Hauptschauplätze ist das Jugendzentrum „Come in“, das die Jugendlichen lieber „Gosse“ oder „Sauhaufen“ genannte hätten. Doch die Stadtverwaltung hat sich durchgesetzt, ohne dass deswegen mehr Geld für die Jugendlichen fließt.Hochgatterer spielt mit Zeiten und Erzählperspektiven. Zwei Personen, die Sozialarbeiterin und der Entführer, werden in der Ich-Form erzählt. Die am längsten zurückliegenden Ereignisse und das (vorläufige) Ende der Geschichte finden in der Gegenwart statt. Wie das zusammenhängt, muss der Leser herausfinden. Denn die Geschichte endet überraschend, ehe der Kommissar seine Ermittlungen beenden kann. Freunde simpler Kriminalgeschichten werden mit der komplexen Erzählform keine Freude haben.
Liebhaber guter Literatur umso mehr!

Rolf Gregor Seyfried: Das Ende des Festes

Eva Riebler

Rolf Gregor Seyfried:
Das Ende des Festes

Prosastücke/Gedichte
Athena Verlag, 2021
68 Seiten
978-3-7455-1109-3

Stellen Sie sich vor, Sie gehen jeden Mittwoch zur selben Zeit in die Wohnung des Nachbarn und nehmen dort ein Edbeerjoghurt aus dem Kühlschrank und essen es genüsslich. Die Frage ist dann, was tun mit dem leeren Becher? Was wird er Nachbar dazu sagen? Er sagt, nichts, er grüßt Sie weiterhin freundlich am Gang – oder war das soeben nicht wirklich eindeutig freundlich? - Und schon sind Sie mitten in der Handlung, Teil der Handlung. Nicht minder skurril ergeht es Ihnen, wenn das Spiegelbild NEIN sagt, während Sie JA gesagt haben. Sie sich nackt auf einer leeren Straße in einer verlassenen Stadt befinden und … - ja die Gedanken fordern eine Fortsetzung der Geschichte….
Genauso spannend ist die Erzählung des Hünen, der eines Morgens unter dem Judasbaum auftaucht und nur unverwandt blickte. Der Ortsvorsteher, der ihn wegschicken möchte wird langsam durchsichtig und …...
Durchsetzt mit Verweiswörtern (z. B. Judasbaum) gibt uns der Autor eine mögliche Spur der Interpretation vor und doch können wir nicht alle Rätsel lösen oder Handlungsmotive erschließen.
Er ist wortgewandt und leitet nicht zufällig Workshops für kreatives und biografisches Schreiben, studierte Philosophie in Wien und ist Inhaber der SPRACHKÜCHE und setzt in diesem Werk uns sein ganzes Können vor.
Jede neue Seite, die wir aufschlagen versetzt uns in eine andere Zeit, Welt oder den Alltag, der in Wirklichkeit gar kein gewöhnlicher Alltag zu sein scheint. Erinnerungen werden eingefangen, sie schmecken nach Krieg und Verfolgung, Auslöschung und Leid. Und doch ist der Erzählton ruhig fließend, keine Anklage und im Gedicht „Zeit des Stillstandes“ ist eine positive Leichtigkeit zu spüren: ... Wir folgen dem Stern in unserer Mitte, / wenn geöffnet ist die goldene Schließe auf der Stirn, - und gehen mit luftigen Schritten / durch die Tagebücher der Ahnen …
Diese Handlungsvielfalt, dieser Facettenreichtum in Inhalt wie Sprache macht es so ungewöhnlich und reizvoll!

Hannes Vyoral: ein augenblick noch ewigkeit

Eva Riebler

Hannes Vyoral:
ein augenblick noch ewigkeit

Ausgewählte Gedichte
Podium Porträt 113
HG: Erika Kronabitter
Wien 2021
ISBN 978-3-902886-62-0

Stille Reflexion: Vyoral wurde 1953 in Neu-Guntramsdorf/ NÖ geboren, ist Autor von ca. 40 Büchern, gründete mit Gerhard Ruiss u.a. 1982 die Organisation des „Ersten österreichischen Schriftstellerkongresses” und war Schriftführer der IG-Autoren, Lehrbeauftragter an den Instituten Publizistik, Germanistik und Politikwissenschaften in Innsbruck, Salzburg, Wien. Er gab diverse Nachschlagwerke aus dem Bereich bildende und angewandte Kunst und drei Ausgaben des „niederösterreichischen Kulturhandbuches” heraus und war 2005-17 Geschäftsführer beim Podium und publizierte die Lyrikbuchreihe „podium porträt” und „neue lyrik aus Österreich”. Seine Lyrikbände zuletzt: „weiß ist gedicht genug” 2013, Ed. Thurnhof; „sasso piano” 2017 Feribord Nr. 15; „jahrland. kalendergedichte” 2017 Ed. Lex Liszt und nun das Podium Porträt mit 58 Lyrikminiaturen.
Vyoral sieht heute durch die Brille seiner Zeilen gesehen wie ein sattelfester Positivist aus: liebenswert und heiter und zeigt uns Tröstendes, Schönes und Lebenswertes. Es gibt in seiner lakonischen Sprache, in seinen Natur und Weltbetrachtungen so viel zu erleben.
Diesen Kreis der Natur mit den arbeitsreichen Tagen, dem Licht und dem Schatten, dem Knospen und Vergehen hat er nun facettenreich eingefangen. Seine Zeilen sickern ins Bewusstsein und bewirken stille Reflexion. Seine stillen Beobachtungen verkörpern Genügsamkeit und Zuversicht und bringen stets einen Gedanken kongenial auf den Punkt. In seinen Zeilen ist so Facettenreiches eingefasst und ohne das Bild erstarren zu lassen, bekommt es eine persönliche Wendung, sozusagen den Output seiner Lebensweisheit.
Die Miniaturen schauen optisch klein aus, haben es immer in sich – auch wenn sie sich nur über drei bis fünf Zeilen erstrecken. Wunderbar ist die Natürlichkeit der Wortwahl und Einfachheit des Ausdrucksmittels, die poetische Umsetzung des scheinbar Simplen.
Kurz und ausdrucksstark, poetisch und jedesmal unverbraucht! Einfach beglückend zu lesen!