Ekman's Triptych: Cullberg Ballet. Rez.: Peter Kaiser

Peter Kaiser
DIE NACKTE WAHRHEIT

 
EKMAN’S TRIPTYCH
A study of entertainment
Cullberg Ballet
Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
14.05.2011, 19.30 Uhr
Österreich-Premiere
Choreographie, Bühne und Text: Alexander Ekman
Kostüme: Bregje van Balen
Lichtdesign: Michael Sylvest
Video: Elias Bengtsson
Einführungsgespräch mit Andrea Amort

Ekmans dreiteilige Studie der Unterhaltungsindustrie bringt die Sache auf den Punkt. Was hinter einem inzwischen unüberschaubaren Wirtschaftsfaktor mit Verzweigungen in alle Winkel und Abwasserkanäle des sogenannten postmodernen Lebens steckt, ist vor allem Geld, die verzweifelte Suche nach innovativen Ideen und dem richtigen Plot, harte Arbeit und eine Mischung aus Fadesse und Erschöpfung.
Seit der zwingenden Analyse durch die Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno, ist die Branche in der Rollenverteilung unverändert: Der Konsument als Zuseher delegiert seine Fantasien und Gelüste (sein Leben!) an die bezahlten Profis auf der Bühne oder Leinwand.

Alexander Ekman, der bei Triptych für Choreografie, Bühnenbild und Text verantwortlich ist, wurde 1984 in Stockholm geboren. Er tanzte unter anderem bei Nacho Duato und Mats Ek. Seit 2005 ist er Mitglied des 1967 von Birgit Cullberg als Teil des schwedischen Riksteatern gegründeten Cullberg Ballet. Ekman arbeitet mit internationalen Ensembles wie dem Bern:Ballett, dem Nederlands Dans Theater I oder der Iceland Dance Company Reykjavík.

Des Triptychons erster Teil ist der Suche nach der zündenden Idee für die nächste Produktion gewidmet und der Umsetzung dieser. Die immerwährende Formel lautet: Synchronized movement works!
Die fantastische Darstellerin der Produzentin, welche in verblüffender Weise Schauspiel- Tanz- und Redekunst in sich vereint, kommt wenig überraschend auf die Eckpfeiler des Entertainments zurück: Massenszenen (William Forsythe lässt grüßen), Slapstick, Rhythmus und viel Trallala.
Von Verklärung des Showbiz also keine Spur; dafür umso mehr lustvolle, quietschvergnügte Umsetzung ohne Angst vor Niveauverlust.
Einen Bruch in dieser sehr intelligent und unterhaltsam gemachten Analyse stellt sich ein, wenn Darsteller und Darstellerinnen sich ins Publikum mischen und zu starren beginnen, als würden die Rollen plötzlich umgedreht: die Zuseherin als Voyeurin findet sich ertappt und peinlich berührt.


Der zweite, im Pausenfoyer stattfindende Teil, bannt die Tänzer in Glasvitrinen und macht sie bei den wunderschönen Klängen von Corellis La Folia zu musealen Objekten. Die Assoziation mit einer Konservierung in Spiritus kommt wie bei allem ehrfürchtig Verwahrten nicht von ungefähr.

Das letzte Bild rückt den Schausteller als Menschen sowie die Theatermaschinerie und damit wiederum den Menschen als unverzichtbaren Teil ebendieser Maschine in den Mittelpunkt.
Erschöpfung, abgewechselt mit Konvulsion, sich immer wiederholende Anweisungen der Produzentin, alles einmal in Zeitlupe und einmal hektisch, letztlich eine ewige Wiederholung.
Der Darsteller als Projektionsfläche des, sich im sicheren Exil des Zuschauerraums befindlichen Konsumenten, entpuppt sich als ferngesteuerte kybernetische Marionette, die seelenlos der Produzentin bis zur letzten Konsequenz zu Willen ist.
In einer sehr beeindruckenden und berührenden Schwimmbewegung auf dem Bühnenboden umschmeichelt ein nackter Mann mit Grinsemaske die völlig ausgebrannte Produzentin: Der vergessene Lemur einer erstarrten Demiurgin.
Das Spiel ist aus. Wer trägt den Müll hinunter?

Mehr Kritiken aus der Kategorie: