1001 / FLASH OF CIVILIZATION pvc tanz freiburg heidelberg Festspielhaus St. Pölten, Box
30.10.09, 19.30 Uhr
Österreich-Premiere Tanz:
Su-Mi Jang (Südkorea), Rosalia Ortega Fernandez (Spanien),
Tommy Noonan (USA), Sebastian Rowinsky (Venezuela)
Choreografie und Regie: Graham Smith (USA)
Komposition: Thomas Jeker
Live-Musik (Darburka und Daff) und Gesang: Amjad Khan (Indien)
Bühne: Nadia Fistarol
Kostüme: Franziska Jacobsen
Graham Smith arbeitet als Tänzer und Choreograf seit 1994 eng mit Intendant Joachim Schloemer zusammen. Als Solist tanzte er in dessen Tanzkompanie am Deutschen Nationaltheater Weimar, am Theater Basel, Luzern und bei den Salzburger Festspielen und ist seit 2006 im Team der künstlerischen Leitung von pvc (physical virus collective) tanz freiburg heidelberg als Choreograph tätig.
Das Thema “Blaubart verführt junge Mädchen“ oder im fernöstlichen Kontext „Sheherazade verlängert ihr Leben durch Erzählen“ ist nach wie vor aktuell. Vor allem die orientalische Kultur, verbunden mit Bauchtanz, Schleiertanz etc. sowie der dazugehörigen Musik wurde eindringlich und harmonisch dargeboten. Um nicht nur in die Bilderflut arabische Nächte abzudriften und um auf die Ungerechtigkeiten, die Unterdrückung, die Bedrohung der Frau hinzuweisen, wurde der Stilbruch in Form der Einbringung eines westlich orientierten DJs als Radiomoderator eines Wüstenradios oder eine Wrestling-Szene getätigt. Die unterschiedlichsten Bilder der Zivilisation rollten in raschem oder langsam, beschaulichem Tempo hintereinander ab.
Es ergab sich eine gelungene Kombination von Abendland und Morgenland, von Erbaulichem und nachdenklich machendem.
Eine flotte, vergnügliche und empfehlenswerte Produktion für alle Altersstufen.
Trommel mit Mann: Fritz Hauser. Rez.: E. Riebler
Eva Riebler EIN SOLOPROGRAMM
TROMMEL MIT MANN Festspielhaus St. Pölten, Hinterbühne
29.10.09, 19.30 Uhr Solist: Fritz Hauser am Schlagzeug Regie: Barbara Frey Lichtdesign: Brigitte Dubach
Der Trommler Fritz Hauser, Jahrgang 1953, aus Basel forderte Konzentration ein. Stille und Pausen gehörten zum Klangraum, dienten zum Spannungsaufbau, bildeten das Entree eines Stückes und erhöhten die Wirkung der gestisch kleinen Klänge. Auch das vorwiegend junge Publikum des diese Woche statt findenden Jugendbewerbes 300 verstand dies, blieb konzentriert, lauschte gespannt und goutierte anschließend seine Darbietungen mit anhaltendem Applaus.
Die Trommel wurde von ihm umarmt, abgeklopft, gestreichelt, gekratzt, geschabt, gewischt, geschlagen oder gekitzelt und sie dankte mit ungewöhnlichen und neuartigen Klängen. Der Zweitages-Bart bekam auch Funktion. Wange und Kinn kratzten zart den Klangkörper.
Manche Passagen ließen kleine Handlungen entstehen, wie Fliegenfangen, Streit- oder Eheszenen, Totschlag mit anschließendem Begräbnis oder erlaubten ein meditatives, entspanntes Versinken in die Tonfolgen.
Ein gelungenes, interessantes Projekt.
Transamericana: NTO Special. Rez.: E. Riebler
Eva Riebler MITREIßEND, SUBTIL UND SONOR
TRANSAMERICANA Tonkünstler Spezial Festspielhaus St. Pölten; GroßerSaal
15.10.09, 19.30 Uhr Inocente Carreño: "Margaritena"
Benjamin Yusupov: Concerto for Viola and Orchestra
Aaron Copland: "Appalachian Spring" fürOrchester
Alberto Ginastera: Ballettmusik "Estancía"
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Dirigent Diego Matheuz
SolistInnen: Danusha Waskiewicz Viola, E-Viola,
Marcelo Nisinman Bandoneon, Maurizio Grandinetti E-Gitarre,
Özgür Arin alsTangotänzer und Notenblatt-Halter
Keine sparsame Orchesterbesetzung, die dem Trend in Zeiten der Wirtschaftskrise entgegenkommen würde. Volle Besetzung mit vier exzellenten Virtuosen und einem Dirigenten aus Venezuela, der somit sein Österreich-Debüte im Festspielhaus St. Pölten begeht. Es ist dies Diego Matheuz, der von Simon Rattle 2007 bei einem Gastspiel unter Claudio Abbado als Assistenz-Dirigent eingeladen worden war und neben seiner Tätigkeit als Dirigent Konzertmeister des Simón Bolivar Youth Orchestra sowie Violinsolist ist.
Da nicht nur amerikanische Ballettmusik des in den USA gefeierten Aaron Copland, Sohn jüdisch-russischer Einwanderer, sondern lateinamerikanische Tanzmusik des Argentiniers Alberto Ginastera am Programm standen, war Diego Matheuz, der lateinamerikanisch Wurzeln und Ausbildung vorweist, der geeignete Dirigent. Er konnte das NT-Orchester sichtbar für diese Musik begeistern und durch das überaus reichliche Programm leiten. Große Bewunderung für den persönlichen Stil des Dirigenten, der keine Verwaschungen oder Verwischungen zuließ und folkloristisch-symphonische Nuancen forcierte, sei ausgedrückt.
Der 36-jährigen Violinvirtuosin Danusha Waskiewicz aus Würzburg, die Mitglied der Berliner Philharmoniker war und Mitglied im Chamber Orchestra of Europe und Orchestra Mozart unter Claudio Abbado ist, verdankten wir nicht nur ungeahnte Höhen und Feinheiten auf der Viola beim Konzert für Viola und Orchester (2003) von Benjamin Yusupov, sondern auch ein einmaliges Tango-Duett mit dem türkischen Tänzer Özgür Arin. Moderner Tango vom Feinsten mit anschließendem Trio „Margaritena“ vom venezolanischen Komponisten und Dirigenten Inocente Carreno mit Viola (Danusha Waskiewicz), Elektro-Gitarre (Maurizio Grandinetti) und Bandoneon (Marcelo Nisinman) aus Buenos Aires. Berauschender und schillernder kann kein Stück und können keine Interpreten sein. Das Publikum dankte es und beruhigte sich bei dem letzten Werk des gleichnamigen Komponisten bei den „Symphonischen Variationen“ (1954).
Die Zusammenarbeit der Solisten und Instrumentalisten des NT-Orchesters unter dem Dirigenten Diego Matheuz war unübertrefflich und bescherte dem Publikum einen intensiven Genuss hervorragender Qualität.
Die klanglichen Möglichkeiten wurden subtil, hymnisch und einzigartig ausgelotet!
1. Gothic Slam: Die Nacht des Raben. Rez.: Alois Eder
Alois Eder POE & CO. IM UNDERGROUND
DIE NACHT DES RABEN
1. Gothic Slam Underground
05.06.09, 20 Uhr
Live-Musik: Satara
Jury:
Melley (Model, Literatur- und Szenekennerin),
Ingrid Reichel (Literarische Gesellschaft St. Pölten),
Tim (Trashcanned),
Peter Hiess (Journalist: EVOLVER, WIENER...),
Cornelia Travnicek (Publikumsjuror)
Moderation: Thomas Fröhlich (Veranstalter, Autor)
Organisation: Walter Göbel (Underground) & Thomas Fröhlich
Ganz so undergroundig, wie der Name des Lokals an der St. Pöltner Promenade nahe legt, ist es bei der Poe-Huldigungs-Lesung gruseliger Texte am Freitag, 05.06., nicht zugegangen. Freilich, es hätte gereicht, wenn sich bei diesem "Gothic Poetry Slam" mit der Buchhandlung Thalia als Mitveranstalter und der Musikgruppe "Satara" der verehrte Autor nur im Grab umgedreht hätte, um dem Grusel-Genre Reverenz zu erweisen. Aber da hätte es im Garten des „Underground“ möglicherweise auch akustische Probleme gegeben, wie einerseits er und anderseits das zahlreich erschienene Publikum das hätten realisieren können.
Vielleicht war es etwas unvorsichtig von den Veranstaltern, nur auf die freiwilligen Wettbewerbs-Meldungen der Nachwuchsliteraten zu vertrauen, und man hätte deren von der Jury zu wertenden Beiträge durch professionellere rahmen sollen, die dem Publikum hätten zeigen können, wo es wirklich zum Grusel langgeht. Unter den Wettbewerbsteilnehmern ist das der St. Pöltnerin Maria Seitz als Siegerin annähernd gelungen, die dadurch die Reihe der schreibenden Frauen verstärkt, die seit Enrica von Handel-Mazzetti, Hulda Mical und anderen wie sie aus der nahen Schule der Englischen Fräulein hervorgegangen sind.
Über die anderen fünf Beiträger lohnt es sich kaum, ein paar Worte zu verlieren, zum Teil sind sie auch dem Angebot auf den Leim gegangen, ihre Texte erst am Mikrophon zu improvisieren. Keine schlechte Idee eigentlich, aber dazu sollte es an unserem Literaturstandort mehr Trainingsmöglichkeiten geben – und auch eine bessere Akustik.
Ob es die beigetragenen Texte irgendwann einmal im „etcetera“ zum Nachlesen geben wird, steht gerade für solche Improvisationen leider auch dahin.
Hoffentlich bewahrheitet sich das schöne Poe-Zitat „quoth the raven: nevermore“ vom einleitenden Text dennoch nicht, was die Gelegenheiten zum Ausprobieren literarischer Talente in St. Pöltner Gastgärten betrifft. Der heraldische Rabe, dessen Schwärze die Veranstaltung überschatten sollte, muss offensichtlich noch wirksamer aus seinem Versteck gelockt werden, und sollte es sich auch um einen weißen Raben handeln. Also: sich nicht abschrecken lassen und mehr von solchen Gelegenheiten schaffen!
(LitGes, Juni 2009)
Triumph des Tanzes: Leipziger Ballett. Rez.: E. Riebler
Eva Riebler VERWÖHNUNGSEFFEKT
TRIUMPH DES TANZES
Leipziger Ballett Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
06.06.09, 19.30 Uhr
Musikalische Leitung: Robert Reimer
Choreographien: Uwe Scholz
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich
Klavier: Wolfgang Manz
Österreich Premiere
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert Es-Dur KV 271 «Jeunehomme»
Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92
Das Leipziger Ballett bildet nach mehreren aufregenden, modern choreographierten Ballettaufführungen den traditionell eingefärbten Schlusspunkt dreier Abonnements, und zwar den des „Ballett“, des Abonnements „Tonkünstler Spezial“ sowie des Abonnements „Landestheater & Festspielhaus“.
Dies garantierte für einen gefüllten Saal.
Die Werke Mozarts und Beethovens wurden von über 30 TänzerInnen im klassischen Outfit mit Spitzentanz und fein ausgearbeiteter Gestik aufgeführt. Für meine Begriffe zu „klassisch“ und zu wenig dem modernen Tanz verpflichtet. Das Auge ist durch heurige Aufführungen der Cedar Lake Company, durch Emanuel Gat Dance Projekte oder True Stories des Bangarra Dance Theatres und vor allem durch die Choreographien von Nacho Duato mit der Compania Nacional de Danza äußerst verwöhnt.
Das Lichtdesign hatte den gleichen klassischen Stellenwert und hinkte mit den Spots etwas hinterher oder störte die gleich bleibend hohe Qualität der Tanzenden nicht durch Effekte.
Ein Abend mit hohem Niveau, der bewusst nicht im Abonnement „Tanz International“ eingereiht war.
(LitGes, Juni 2009)