Veranstaltungen

Siegfried Anzinger im Bank Austria Kunstforum Wien. Rez.: Gertraud Artner

Gertraud Artner
Schießbudenmalerie

Siegfried Anzinger im Bank Austria Kunstforum Wien

 

Der „neue“ Anzinger hat viele Geschichten zu erzählen. Gerne aus der Bibel, rund um´s Kreuz etwa, das durchaus mehreren Personen Platz bietet. Sogar Faust findet sich am Kreuz wieder. Und immer wieder Tiere: Da tummeln sich Schweine, ein „Specht am Kreuz“ sucht nach Nahrung im morschen Gebälk. Eine gewaltige Taube ist behilflich bei Auferstehung und Himmelfahrt, auch wenn sie dafür mit mächtigen Flügelschlägen das Kreuz beinahe aus der Verankerung reißen muss. Die Madonna, ohnehin ein Fixpunkt bei Anzinger, erscheint in verschiedensten Variationen bis hin zum „Selbstbildnis als Madonna“. Und immer dabei der heilige Hieronymus und sein getreuer Löwe, die teils mit Staunen, teils mit Schrecken die wundersamen Ereignisse registrieren.

 

Nicht weniger unterhaltsam präsentieren sich die Geschichten aus dem Wilden Westen. Hier wird der Marterpfahl zum Mittelpunkt der Indianer- und Cowboyspiele, Planwagen stehen herum, die Pferde allzeit bereit. Begleittexte erinnern an den alten Hit (1960) von Gus Backus „Schön war sie, die Prärie...“ und den Evergreen von Hermann Leopoldi „Schnucki, ach Schnucki, foahr´ ma nach Kentucky...“

 

Nicht zu übersehen ist die Fülle an Erotik, die Anzinger in diese Bilder einbaut. Oder sollte man sie angesichts der unzähligen Blow-Jobs, die Frauen rund um die Marterpfähle, in Bäumen und vor allem in Booten zu erledigen haben, nicht treffender als Soft-Porno bezeichnen? Im und am Wasser ist überhaupt viel los: Da wimmelt es von Möwen und Nixen, die „Loreley vom Attersee“ lässt grüßen. Manchmal stellt sich dem hingerissenen Betrachter die Frage nach der Grenze zwischen Kunst und Kalauer.

 

Der Künstler nennt seine comicartigen, figurativen Bildwelten liebevoll „Schießbudenmalerei“, seine narrative Tätigkeit „Quatsch malen“. Gleichzeitig betont er: „Wenn du den Quatsch sehr ernst malst, ist der Quatsch kein Quatsch mehr.“ Wichtig ist ihm jedenfalls: „Nach dem Schmunzeln muss noch Malerei übrig bleiben.“  Dies ist  aufgrund Anzingers so unendlich sicher und außergewöhnlich gesetzten Malerei sowie des Reichtums an kompositionellen Elementen zweifelsfrei der Fall. Bemerkenswert auch die neue Maltechnik: Leimfarbe, in dünnen Schichten aufgetragen, verleiht den Arbeiten die Wirkung eines Deckenfreskos.

 

Anhänger der früheren Werke von Anzinger werden den Künstler in seinen jetzigen Bildern kaum wiedererkennen. Sicher tauchen auch in neuen Arbeiten immer wieder altbekannte Motive auf wie Pferde, Löwen, Schuhe...und nicht zuletzt die Madonna. Doch hat Anzinger in den letzten Jahren einige radikale Stilwechsel vorgenommen, sodass sich der Künstler fast nicht als jener indentifizieren lässt, der sich Anfang der 1980er-Jahre die sogenannte Neue Malerei in Österreich auf die Fahnen geschrieben hatte.

 

Der gebürtige Oberösterreicher studierte Anfang der 70er-Jahre bei Max Melcher an der Akademie der Bildenden Künste in Wien und zählte bald zu den führenden Vertretern der „Neuen Wilden“, die der Malerei vor mehr als 30 Jahren zu neuer Spontanität, Sinnlichkeit und Subjektivität verhalfen. 1988 stellte Anzinger, mittlerweile nach Köln übersiedelt, mit Furore im österreichischen Pavillon auf der Biennale in Venedig aus. Ausgewählte Werke dieser erfolgreichen Präsentation sind im Kunstforum in einem eigenen Raum zu begutachten. Es handelt sich dabei um Arbeiten, in denen sich der Künstler von der Neu-Wilden Malerei bereits deutlich distanziert hatte und die für eine malerische Kultur stehen, die Anzinger in den folgenden Jahrzehnten verfeinert, verformt, verworfen und neu entstehen hat lassen. Rückblickend äußert sich der Künstler kritisch zu dieser Zeit. Mit „Schmunzelexpressionismus“ habe er nichts am Hut, er wollte vor allem widerlegen, „dass ich ein spätexpressionistischer, barocker österreichischer Maler bin“.

 

Die neuen Bilder, die den Hauptteil der Ausstellung ausmachen, entstanden in den Jahren 2012 und 2013. Anzinger hat sie eigens für das Kunstforum angefertigt, quasi in die Räumlichkeiten „hineingemalt“, wie die Direktorin Ingried Brugger stolz berichtete. Bei einem Rundgang wird rasch klar, der 61 jährige Maler hat nichts an Kraft und Vitalität eingebüßt, ganz im Gegenteil. Auch wenn er allzu Konservative verstören und mit etwaigen Erwartungshaltungen seiner Fans brechen mag, er setzt mehr denn je auf das Tragisch-komische, das Groteske und die erotische Satire. Anzinger hat mit diesen neuen Arbeiten sein malerisches Talent zu einem vorläufigen Höhepunkt geführt. Er selbst meinte bei der Pressekonferenz bescheiden: „Die Malerei ist wie eine Kugel, die durch das Leben rollt. Wir Künstler sind dazu da, sie in Bewegung zu halten.“

 

Die Ausstellung läuft noch bis 25. April 2014 und wird begleitet von einem höchst informativen Katalog (29 €). Weitere Informationen: www.bankaustria-kunstforum.at   

 

ERIC FISCHL – Friends, Lovers and other Constellations. Rez.: Anna Burgstaller

Anna Burgstaller
Palimpsest und Frozen Moment.

ERIC FISCHL –
Friends, Lovers and other Constellations

Albertina, 13.Februar bis 18.Mai.2014

Eric Fischl ist ein New Yorker Maler, Grafiker und Bildhauer, der mit seiner figurativen Malerei den Betrachter an dem alltäglichen Bildgeschehen teilhaben lässt und ihn so direkt als einen Voyeur entlarvt, der sich in der Intimsphäre der Protagonisten verliert. Die Anziehung, die von der schnappschussartig festgehaltenen Intimsphäre ausgeht, füllt derzeit die Pfeilerhalle der Albertina.

Die rund 70 gezeigten Werke umspannen 35 Jahre seines Schaffens, mit einem retrospektiven Fokus auf seine Arbeiten auf Papier. Durch das wiederholte Aufgreifen des „Frozen Moment“ erinnern seine Arbeiten an Film Stills, die nur einen flüchtigen Moment in einem großen Ganzen wiedergeben. Das bewusste Auslassen führt zu einer Fokussierung auf die Zweideutigkeit in seinen Motiven. Dadurch, dass dem Betrachter nur ein kleiner Ausschnitt gezeigt wird, wird dieser zum heimlichen Beobachter einer ganz intimen Szene, oft stark aufgeladen durch sexuelle Spannungen. Eric Fischl zeigt Alltägliches aus der amerikanischen Vorstadt, in der er selbst groß wurde. Dinge, die er selbst erlebt hat, wie der Alkoholismus seiner Mutter, zeigen sich an der oftmals negativen Darstellung der Vorstadtidylle. Er versucht den äußeren Anschein von Dingen zu hinterfragen, den ersten Eindruck zu entkräften, indem er das Äußere mit dem Inneren in direkten Dialog stellt und so neben dem Guten auch das Böse zeigen kann. Es geht ihm um die Darstellung von verdrängten, vergessenen, ja verlorenen Szenen, die sich hinter den schön gestrichenen Fassaden der Vorstadthäuser abspielen. Wie Filmstils sind seine Kompositionen aus dem Leben gerissen, um einen kurzen Moment einer größeren Wirklichkeit darzustellen. Als Betrachter fühlt man sich als Beobachter, teilweise sogar als Protagonist, was durch die narrative Erzählweise und die starke Körperkonzentriertheit verstärkt wird. In manchen Werken entsteht durch die Überlagerung von Papierbahnen eine Art Collage, die dem Betrachter weiteren Interpretationsspielraum einräumt. Durch das Überlagern von den verschiedensten Schichten entstehen neue Bedeutungsebenen, die sich gegenseitig wie ein Palimpsest durchschimmern.  Dieses Durchmodellieren seiner einzelnen Bildelemente führt zu einer starken Assoziation mit Bühnenbildern, die sich auch je nach Funktion verändern können.

In den theatralisch anmutenden Werken von Eric Fischl verliert man sich in einer verfremdeten Wirklichkeit, die in vielfältigen bildnerischen Ebenen Ausdruck findet. So bedient er sich an Aquarell, Öl auf Glassine und Druckgrafiken, doch Eric Fischl nutzt nicht nur die Malerei als Ausdruckmittel sondern auch die Skulptur. Die Bilder ziehen einen in den Bann und animieren dazu die Geschichten weiterzudenken, umzuformen und immer wieder neu zu entdecken. 

Michael Clark Company: come, been and gone. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
Schaumgebremst

 

Michael Clark Company: come, been and gone
Festspielhaus St. Pölten, großer Saal
04.05.13, 19.30 Uhr
Österreich-Premiere
Choreografie: Michael Clark
Tanz: Harry Alexander, Melissa Hetherington, Oxana Panchenko,
Jonathan Ollivier, Benjamin Warbis, Simon Williams
Dauer: 90 Min., inkl. Pause

Michael Clark brachte diese Produktion 2009 bei der Biennale in Venedig zur Uraufführung und entwickelte sie ständig weiter. Er war bei der Londoner Royal Ballet School das enfant terrible, das sich für Rock und Punk und gegen die Tradition oder akademische Starre entschied. Seinen Tänzern und Tänzerinnen sieht man genauso die klassische Ausbildung an, die mit zeitgenössischem Tanz verbunden wird. Neu ist, wie im an die Vorstellung anschließenden Gespräch erwähnt wurde, dass die männlichen oder weiblichen Tänzer zeitweise die Rollen tauschen. Dies ergibt eine geringere Fixierung auf den Part, auf die jeweilige Rolle und geht Richtung Gesamtkunstwerk. Seine Choreografien widmet er Popgrößen der 70er oder 80er Jahre. So ist es im ersten Teil bei der 2005 wiederaufgenommenen Produktion aus 1986 SWAP Bruce Gilbert & der Punkband Wire und im zweiten Teil David Bowie der Held der Leinwand und der Musik. Sein Song „Heroes“ wurde sehr traditionell, schaumgebremst und machomäßig interpretiert. Dem Glamour in hautengen Glanz-Kostümen wurde zur Genüge gehuldigt. Natürlich passt dies zu Popgrößen und bringt dem Musik-Idol David Bowie eine weitere heroische Würdigung.

Jedenfalls waren die Tänzer und Tänzerinnen hervorragend variationsreich, auch wenn sie starre Gesichter tragen mussten und wenig Handlungsstränge ausführen durften.

	  Michael Clark Company: come, been and gone. Rez.: Eva Riebler

Jane Birkin. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
Homage an Gainsbourg

 

Jane Birkin
Via Japan

Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
01.02.13, 19.30 Uhr
Klavier und musikalische Leitung: Nobuyuki Nakajima
Schlagzeug: Ichiro Onoe
Violine: Hoshiko Yamane
Trompete: Takuma Sakamoto

Die charmante Atemlosigkeit ihrer früheren Songs hat die mittlerweile 66-Jährige eher verloren. Jedoch kann sie mit ihrem liebenswerten Auftreten und natürlichen Äußeren die Beziehung zum Publikum herstellen. Besonders Anklang fanden die Chansons, die Serge Gainsbourg vor rund 40 Jahren für Jane Birkin schrieb: „Jane B.“ oder „Baby alone in Babylon“ und „Amours des feintes, „Fuir le bonheur de peur qu’il ne se sauve“, mit denen sie ihre Hommage u. a. bestritt. Da sie gewohnt ist, im Rampenlicht zu stehen, kommen leider die hervorragenden Bandmitglieder nur einmal in ihrem Solo so richtig zum Zug. Dabei hätte es natürlich der Klaviervirtuose, der bereits der ständige Begleiter ihres ehemaligen Partners Serge Gainsbourg war, unbedingt verdient, instrumental zu punkten. Der junge hervorragende Saxophonist sowie die ausgezeichnete Violinistin und der Drummer hätten willkommene wie aufregende Abwechslung in den zweistündigen Konzertablauf gebracht.
So erklang ein Hauch von orientalischem Flair bei den erprobten Liedern Gainsbourgs „Amours des feintes“ oder „Les dessous chics“ und „Elisa“ als Abwechslung.
Das Publikum war begeistert und forderte Zugaben ein.

Jane Birkin. Rez.: Eva Riebler

Mnozil Brass goes Wagner. Rez.: Eva Riebler

Eva Riebler
Wagner goes Jazz

 

Mnozil Brass goes Wagner
Eine Wagner-Blech Comedy

Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
26.01.13, 19.30 Uhr
Österreichpremiere
Mnozil Brass: Thomas Gansch, Robert Rother,
Roman Rindberger, Leonhard Paul, Gerhard Füßl,
Zoltan Kiss, Wilfried Brandstötter
Regie, Bühne und Lichtdesign: Philippe Arlaud
Choreografie: Anne-Marie Gros
Dauer: 120 Min. (inkl. Pause)


Mit 11 Stücken vor und 13 Stücken nach der Pause, musikalisch angesiedelt zwischen Richard Wagner, Leonhard Paul oder Giacomo Puccini und vor allem mit und von Thomas Gansch, wurde des 200. Geburtstags von Richard Wagner gedacht. Dass dieser es wert ist, steht außer Zweifel. Wie lustig, brisant, keck und einfallsreich jedoch diese Annäherung an den großen Wagner vom grünen Hügel wurde, ließ sich vorher nicht erahnen. Aus der reichen Fülle an Gestalten und Phantasmen aus den Opernproduktionen Wagners wurde vor allem Wotan, Siegfried, Ludwig, Lohengrin oder Brünnhilde auf die Bühne gebracht. Das Geburtstagskind selbst, durch seine schwarze Kappe ersichtlich, wurde personifiziert und entpersonifiziert, indem alle sieben Instrumentalisten eine Kappe aufsetzten. Wagner ist schließlich Bildungsgut für alle und seine Musik gehört allen. Einsame Spitze war Thomas Gansch als Tölpel Siegfried in kariertem Hemd, Bergschuhen und Lederhose. Die Karikatur des stolzen Helden, der mit Machogehabe und dummer Dreistheit weit kommt, zu weit kommt, nämlich den letzten Lebenden umbringt. Dieser Naivität kommt nur mehr der Jazz bei. Und der wurde den ganzen Abend hervorragend zelebriert. In jeder Lebenslage, ob im Glück oder in Trauer und Not, ob am Boden oder laufend, hüpfend in Bewegung - stets konnten die Sieben der Mnozil-Brass-Band Jazz von feinster Qualität ertönen lassen.
Eine hervorragende Premiere! Eine wunderbare österreichische Band!

Mnozil Brass goes Wagner. Rez.: Eva Riebler