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Busk & Blue Soup. Rez.: E. Riebler

Eva Riebler
DIE EINEN STEHEN IM LICHT, DIE ANDEREN …

 

 
BUSK & BLUE SOUP
Azure Barton Company
Festival NY
Festspielhaus St.Pölten, Großer Saal
27.02.10, 19.30 Uhr
Österreich-Premiere

Choreografie: Aszure Barton aus Alberta
10 Tänzer und Tänzerinnen vorwiegend aus Canada und NY

 

Das Stück Busk, eine Auftragsarbeit von The Banff Centre und dem Ringling International Arts Festival in Zusammenarbeit mit dem Baryshnikov Arts Center NY, stellt den Gegensatz zwischen erfolgreich und erfolglos dar. Die Thematik des Entertainments als Überlebensstrategie und des möglichen Misserfolges mit seinen düsteren Auswirkungen. Dazu passend die Musik entweder französisch beschwingt oder choralartig überhöht von Ljova and the Kontraband, bzw. Orphei Drängar, Moon Dog, Yann Tiersen, Les Yeux Noirs. Die Tänzer bewegten sich expressiv und kraftvoll, pantomimisch und interaktiv. Ihre Körperbeherrschung war die exakteste und geschmeidigste, die man sich vorstellen kann.

Witzige Einfälle mit weißen und schwarzen Plastikumhüllungen und Effekten mit schwarzen Kapuzenpullis wurden von Michelle Jank, die für die Kostüme verantwortlich zeichnete, unterstützt.

 

Im zweiten Stück, Blue Soup, trat Aszure Barton selbst auch als Tänzerin nicht nur als Choreografin und Sounddesignerin in Solo- und Gruppenarrangements auf. Exzellente Performances in hellblauen Anzügen (Kostüme Fritz Brown) und z. T. in hellblauen Schuhen ergaben die „blaue Suppe“, nicht zu verstehen als Einheitsbrei, sondern als einheitliche optische Ausgangsbasis, von der aus sich minimalistische Bewegungen deutlich hervortaten.

Streetdance in Interaktion und abwechselnd die synchrone Bewegung durchbrechende Gruppenszenen folgten in lockeren Bildern aufeinander. Vom choreografischen Ablauf nicht eingeplante Zwischenapplause zeigten die Begeisterung der Zuseher.

Eine tolle Produktion und Ausführung kreativen zeitgenössischen Tanzes auf höchstem internationalem Niveau!

Busk & Blue Soup. Rez.: E. Riebler

Terra Nova Sinfonia Antarctica. Rez.: E. Riebler

Eva Riebler
WO BLEIBT DIE ACTION?

 

 
TERRA NOVA SINFONIA ANTARCTICA
Festival NY
Festspielhaus St.Pölten, Hinterbühne
25.02.10, 19.30 Uhr
Mitwirkende:
Sound und Video: DJ Spooky
Klavier: Walter Roccaro
Geige: Aldo Campagnari
Violoncello: Naomi Berril

 

Die Antarktis in Nahaufnahme, Verteilung der Flächen auf 13 Nationen, die Verträge zur Sicherung des Territoriums für wissenschaftliche Zwecke und die Erreichung des Südpols im Jahre 1959 – soweit der thematische Inhalt. Dazu Live-Musik mit Klavier und zwei Streichern vor zwei überdimensionierten Leinwänden und am Soundhebel DJ Spooky, der leider die Erwartungen, die man an einen internationalen DJ als Produzenten und Entertainer halt so hat, erst am 26.02. im Café Publik erfüllte. Die eintönige Musik, die sich aus zwei auf - und abschwellenden Takten zusammensetzte, passte zwar zur ewigen Eiswüste, jedoch schlummerte sie einem trotz Lautstärke und Pathos doch etwas ein.

Man saß, wie es die Hinterbühne eben erlaubt, zu weit vorne und konnte die überdimensioniert aufbereiteten Visuals, die meist spiegelbildlich ineinander flossen, nicht mit einem Blick verfolgen. Genickstarre war vorprogrammiert. Diese konnte man ja am nächsten Tag im Café Publik zum hervorragenden Sound von DJ ekwality – alias Florian Harm – oder ab 23 Uhr zum Scratch von DJ Spooky himself lockern.

So zieht ein Event den nächsten nach sich.

Terra Nova Sinfonia Antarctica. Rez.: E. Riebler

Becki, Jody and John. Rez.: E. Riebler

Eva Riebler
ALTER MUSS NICHT LANGWEILE BEDEUTEN

 

 
BECKY, JODI AND JOHN
John Jasperse Company
Im Rahmen des Festivals NY
Festspielhaus St. Pölten, Box
21.02.10, 18 Uhr
Dauer: 60 Min.
2. Vorstellung: 23.02.10, 19.30
Tanz und Entwicklung: Becky Hilton, John Jasperse, Jodi Melnick
Choreografie und Regie: John Jasperse
Musik: Hahn Rowe
Lichtdesign: John Jasperse, Joe Levasseur
Assistenz Hannah Price

 

Es ist eine Danceperformance mit Einblick in das Leben oder Leiden eines älteren Tänzers, eines Künstlers, der die 40 überschritten hat. Den Gefühlen zur Irrelevanz, zu körperlicher Abnutzung, zu Schamhaftigkeit oder zu Trennungsschmerz wird verbal Ausdruck verliehen. Somit steht die Sprache gleichwertig zur Bewegung im Raum. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit und drückt diese aus, obwohl er choreografisch auf seine Tanzkollegen  homogen oder synchron eingehen muss.

„Die Artikulation ist das neue Schwarz“, meint die Stimme einer vierten Tänzerin aus dem Off, die mittels Videoübertragung dazu geschalten wird. Sie bringt das Sprachspiel mittels eines weißen Plastikelefanten als Maskottchen auf den Punkt, indem sie meint: „Ich fühle mich so -irrelefant-“ und hebt den weißen Elefanten vor die Kamera. Sie war nie daran interessiert „sie selbst zu sein“.

John Jasperse hingegen möchte als Tänzer und Choreograf nicht den Vorwurf auf sich sitzen lassen, „zu klassisch, zu akademisch oder staatstragend zu sein und zieht sich wohl deshalb nackt aus.

Dass die Choreografie nicht hinreißend oder mitreißend, sondern eher ruhig bewegt ist, entsprach der Thematik. Dass Frisuren oder die Kleidung mehr als nachlässig gestaltet waren, gehörte ebenso dazu. Bei dieser Thematik wird nichts besonders Ästhetisches oder Aufregendes passieren, dies wird das Publikum verstehen, jedoch kann es sich dann vielleicht eines zwar stimmigen aber schalen Nachgeschmackes nicht erwehren.

Becki, Jody and John. Rez.: E. Riebler

Eclipse: Lura. Rez.: E. Riebler

Eva Riebler
RHYTHMISCH BEWEGT

 

 
ECLIPSE
Lura
Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
13.02.10, 19.30 Uhr

Dauer: 90 Min.

Lura: Gesang und Perkussion

António „Toy“ Vieira: Klavier und Musikalischer Leiter

Osvaldo „Vais“ Dias: Gitarren

Edevaldo „Ruso“ Figueiredo: Bass

Guillaume Singer: Violine

Carlos “Kau” Paris: Schlagzeug und Perkussion

 

Ein fröhliches, stimmiges Programm für den Faschingssamstag!

Lura, geboren 1975, stammt aus dem kreolischen Stadtteil Lissabons und nahm dort bereits die Lieder ihrer Kindheit auf. Sie legt den größten Wert auf die Klänge der Kapverden, da von dort ihre Eltern stammen, und sie diese als ihre Heimat, als ihre Wurzeln betrachtet. Gemischt mit portugiesischem Pop, der meist den Rumba erkennen lässt, und mit afrikanischem und amerikanischem Soul ergibt dies eine musikalische Bandbreite von tanzbaren, melancholischen, nostalgischen Liedern, die sie in ihrem vierten Album „Eclipse“ vereinte. Sie illustrierte, verdeutlichte mit ihrem Körper die Rhythmen und legte Wert auf minimalistische Effekte. Locker fließend und bewusst schlicht drückt sie Lebensfreude aus. Sie bewahrt die Tradition der Tänze „Batuque“ und „Funana“ als musikalisches Erbe ihrer Eltern und Großeltern und erzeugte eine sehnsüchtige und trotzdem glückliche Stimmung.

Sie verstand das Publikum mitzureißen und Freude zu verbreiten.

Ein gelungener Auftritt, eine hervorragende Sängerin mit guten Instrumentalisten!

Dass dies beim Publikum Anklang fand, erkannte man nach dem Konzert an den zahlreichen Käufern des Albums „Eclipse“.

Eclipse: Lura. Rez.: E. Riebler

Lawn. Rez.: E. Riebler

Eva Riebler

THEATER DER BILDER UND METAMORPHOSEN

 

 
LAWN
Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal
16.1.10, 19.30 Uhr
Österreich Premiere
Eine Koproduktion von Brisbane Powerhouse, Dancenorth und
Sasha Waltz and Guests
Choreographie und Tanz: Gavin Webber, Grayson Millwood,
Vincent Crowley
Dramaturgie: Adnrew Ross
Musik: Iain Grandage
Bühne und Kostüme: Zoe Atkinson
Lichtdesign: Mark Howett

 

Geschmeidig rollen die Tänzer auf dem Boden, über den Tisch, den Holzsessel oder Polstersessel und klettern auf Wänden hinauf und hinunter. Sie bedrohen einander, sind gewaltbereit und hören die akustischen Ausdrücke der Aggression aus der Nachbarwohnung mit. Die Wände sind dünn und mit Tapeten der 60er oder 70er Jahre beklebt. Lösen sich diese, kommen darunter die Tapeten der Vormieter zum Vorschein. Dies war im Februar des Jahres 1999 in Berlin ein Ausgangsmotiv für dieses Werk. Die drei australischen Tänzer bildeten damals eine Wohngemeinschaft und sahen erstaunt auf ein Hakenkreuz, als sie die Tapete von den Wänden lösten. Sie fühlten sich in den Wintermonaten mit wenig Sonnenlicht in dieser symbolträchtigen Stadt nicht sehr wohl, waren von Alpträumen geplagt, fragten sich, wer wohl der Vorgänger in dieser Wohngemeinschaft und wie glücklich oder unglücklich dieser war und pflegten außerdem ihr Heimweh. Als Ausländer waren sie sensibilisiert und idealisierten und verklärten aus der Entfernung ihr Zuhause. Der begriff LAWN bedeutet nicht nur „Rasen“, sondern auch „Situation und Zustand, verursacht durch Sonnenlichtmangel, unlogische Gedanken bis zu Wahnvorstellungen“. Beides wurde verdeutlicht. Der Rasen durch den wiesengrünen Polstersessel, den Schirm der Stehlampe, den mehr oder minder grünen Anzug und durch die Einspielung eines kleinen Rasenstückes am Ende der Vorstellung. Das Motiv der Wandlung war wichtig: Und zwar die Wandlung vom Ausländer zum Berliner oder Einheimischen, Ansässigen, der nicht auffällt, folgsam und widerspruchslos sich anpasst und den grünen Anzug, der vorerst am Kleiderhaken hing, anzog. Dieses Motiv wurde auch durch die Anspielung auf „Die Verwandlung“ von Franz Kafka verdeutlicht. Fette Kakerlaken krochen in der ersten Szene über Tisch und Boden, um mitleidslos getötet zu werden. Ob sie aus Madagaskar oder dem Landesmuseum nebenan waren, ist ungeklärt. Wie sie, krochen die Tänzer zeitweise über den Boden oder die Rückwand des Zimmers, wurden vom Erschlagenwerden bedroht und schälten sich aus ihrem Gewand oder schälten die Tapetenschichten ab. Somit symbolisierten sie die zahlreichen Schichten der menschlichen Existenz.

Die Bewegungen der Tänzer vermittelten in erster Linie ihr Menschsein und nicht die Idee des perfekten Tanzes. Die drei Tänzer hatten ihr Werk gemeinsam erarbeitet und umgesetzt und wollten bewusst machen, wie schmal die grenze zwischen Realem und Surrealem ist. Der Interpretationsspielraum ist breit gefächert, jedoch steht stets die zwischenmenschliche Bezogenheit im Vordergrund. Nicht nur Ernsthaftigkeit und ein klein wenig Humor sowie Traurigkeit und Heimweh wurden spürbar, sondern auch das Aggressionspotential und deren Auslöser sichtbar.

Jedenfalls konnte das Publikum eine perfekte Inszenierung, bei der Timing, Rhythmus und Bild stimmten, erleben.

Anschließend konnte im Café Publik mit den Tänzern diskutiert oder als Statist für die Produktionen der nächsten Woche, für „Remember Me“ mitgewirkt werden; oder man vertrieb die gebliebenen bedrückenden Eindrücke, indem man einer Wiener Band lauschte und hing den Gedanken einer möglichen Verwandlung nach.

Lawn. Rez.: E. Riebler